Chocolat von Chanel

Chanel
Das Raunen war unüberhörbar. Man schrieb das Jahr 1973, als es durch die plüschigen Kinosäle in aller Welt ging. Als Auslöser fungierte einmal mehr James Bond. Eine umwerfende Gefährtin im und eine Aufsehen erregende Uhr am Arm. Beide glühten auf ihre Weise. Bei der "Pulsar" war es das rote Digitaldisplay, welches 007 per Knopfdruck in Cinemascope zum Leuchten brachte. Die damals höchst futuristisch anmutende Armbanduhr des Superagenten bescherte vermutlich Tausenden Kinobesuchern schlaflose Nächte. Allein: Ihr exorbitanter Preis holte die meisten Träumer jäh in die Realität zurück.

Doch das sollte sich bald ändern. Innerhalb relativ kurzer Zeit gab es für deutlich weniger Geld immer mehr Uhr und damit auch Funktionen. Der Siegeszug der elektronischen Armbanduhr für jedermann, namentlich derjenigen mit digitaler Zeitanzeige, war durch nichts und niemand mehr zu bremsen. Wenn deren gangregulierender Quarzstab aus Siliziumoxid nach Anlegen eines elektrischen Feldes 32.768 Schwingungen vollzogen hatte, war eine kostbare Sekunde des Lebens verstrichen. Unerbittlich und lautlos wie die Zeit selbst.

Freilich besaßen sie einen Schönheitsfehler, die flammend rot erglühenden Lichtemissionsdioden-Anzeigefelder: Bei heftiger Benützung saugten sie die kleinen Batterien innerhalb kürzester Zeit leer. Eine kurzlebige und kostspielige Angelegenheit also, welche förmlich nach Abhilfe schrie. Und die bestand in der Verwendung grau-schwarzer Flüssigkristall-Displays (LED). Selbige traten zwar weitaus weniger spektakulär in Erscheinung, erfüllten aber den gleichen Zweck und benötigten ungleich weniger Energie. Mit ihrer Hilfe konnte sich die digitale Quarzarmbanduhr ohne bewegliche Elemente ab Mitte der 70er-Jahre zum absoluten Mengenbestseller entwickeln.

Ein Manko wiesen indes auch diese multifunktionalen Zeitmesser auf: Massenproduktion und Dumpingpreise ließen das Prestige in den Keller sinken. Deshalb mutierten Digitaluhren alsbald schon zum Synonym für fernöstliche Billig-Gadgets. Wer etwas auf sich hielt, blickte weiterhin auf ein Zifferblatt, vor dem sich Zeiger in überlieferter Weise drehten. Die analoge Zeitanzeige, auch jene mit Quarzantrieb, behauptete ihren angestammten Platz am Handgelenk. Und das über die folgenden Jahrzehnte hinweg.

Ganz abgeschrieben waren und sind die Digitalen gleichwohl nicht. Zum Beispiel lancierte Ventura Ende 1989 die "watch" des dänischen Designers F.B. Hansen, welche über zehn Jahre hinweg produziert wurde, sogar Aufnahme in die permanente Designkollektion des New Yorker Museum of Modern Art fand. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts feiert die zeigerlose Indikation nun ein durchaus beachtliches Comeback. Und zwar in einem relativ breiten Spektrum. Im Zuge dieser Renaissance konnten die Digitalen das Image des Banalen abstreifen, weil sich renommierte Designer und Nobelmarken ihrer annahmen. Zum Beispiel Philippe Starck, der für Fossil u. a. das Modell PH 2019 kreierte. Ausgestattet mit Stahlgehäuse und großem beleuchtetem Display. Neben der Zeitanzeige gibt es Alarm- und Timerfunktion, Chronograf und eine zweite Zonenzeit.

Anspruchsvolle Ladys mit einem Tick fürs Digitale werden von Chanel mit erlesener Schokolade bedient. Das Barren-Design der "Chocolat" stammt von Jacques Helleu. Vier dezente Einzeldisplays indizieren die Ziffern zur Indikation von Stunden und Minuten. Mehr braucht Frau von Welt, welche sich den sinnlichen Digitalluxus leistet, beim besten Willen nicht.

Ganz anders sehen die Dinge beim maskulinen Geschlecht aus. Wenn digital, dann richtig digital. Und zwar mit viel Funktionalität. Ventura hat sich dieser Thematik angenommen und einen Zeitmesser entwickelt, der mit einem anderen Problem der elektronischen Vielseitigkeit aufräumt. Davon können alle jene ein Lied singen, denen die Bedienungsanleitung abhanden gekommen ist. Nach einem Batteriewechsel ging dann mitunter gar nichts mehr. Die Lösung heißt "v-tec". Ins Gehäuse versenkte Bediendrücker sind bei diesem Quarznewcomer ein echtes Fremdwort. Statt ihrer gibt es eine einzige, ergonomisch positionierte Walze. Damit lassen sich sämtliche Funktionen wie bei einer PC-Maus scrollen. Das zwölfstellige LC-Display besitzt zwei Zahlenreihen: Die obere indiziert die Zeit (HH, MM, SS). Die untere bleibt Datum, Alarm, 2. Zonenzeit, Chronograf und Countdown vorbehalten. Das Handling ist denkbar einfach: Die gewünschte Funktion durch Drehen anwählen und dann durch Axialdruck bestätigen. Gehäuse und Band bestehen aus gehärtetem Durinox-Edelstahl und gewährleisten hohe Kratzfestigkeit.

Zu den Pionieren der hochwertigen Digitalzeitmesser gehörte zweifellos Jack W. Heuer. Als Berater von TAG Heuer hat er die Entwicklung der neuen "Monaco Sixty Nine" maßgeblich beeinflusst. Die elektronische Seite dieser avantgardistischen Armbanduhr zeigt neben vielen anderen Funktionen u. a. das Datum, und sie stoppt per Knopfdruck auf die Tausendstelsekunde genau. Ganz konservativ gibt sich das gegenüberliegende, mit einem Handgriff nach vorne wendbare Gesicht mit drei Zeigern für Stunden, Minuten und Sekunden. Geradezu verblüffend wirkt diese Armbanduhr, wenn man sie so ans Ohr legt. Sie tickt laut und vernehmlich. Doch das ist kein Wunder. Die analoge Hälfte besitzt nämlich ein klassisches Handaufzugswerk. (Der Standard/rondo/31/10/2003/Gisbert L. Brunner)