Die Rolle des Bundespräsidenten

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Umfragen: Die Österreicher würden gern "Refreshen"

montage: derStandard.at (foto: reuters)
Linz/Wien - Heinz Kienzl von der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft (SWS) ist tief pessimistisch: "Die Politiker haben noch nicht erkannt, dass ,Reform' ein schmutziges Wort ist", sagte Kienzl auf einer Pressekonferenz am Montag, bei der er den Befund vorstellte, dass die Österreicher speziell bei einer Steuerreform weitere Sparpakete und die Erhöhung anderer Steuern erwarten. ( Mehr zur SWS-Studie >>> )

Eine gleichzeitig fertig gestellte Studie des Linzer market-Instituts für den STANDARD belegt aber: Die Österreicher sehen sehr wohl Reformbedarf. Auf die Frage, ob sich "unser Land so alles in allem in die richtige Richtung entwickelt", sagen 56 Prozent, dies sei nicht der Fall. Dies ist der höchste je gemessene Wert in einer Serie von market-Umfragen. Noch im August hatten sich Zustimmung und Ablehnung in dieser Frage bei 46 bis 47 Prozent die Waage gehalten - nun ist es eine klare Minderheit von 39 Prozent, die das Land auf dem richtigen Kurs sieht.

Besonders negativ fällt die Einschätzung von Frauen, Angehörigen der mittleren Altersgruppe und leitenden Beamten und Angestellten aus. Eine positive Einschätzung haben vor allem ÖVP-Wähler, Wirtschaftstreibende und Freiberufler.

Auf die Folgefrage, ob denn nun weiter reformiert oder eine Pause bei den Reformen eingeschoben werden sollte, fällt die Antwort deutlicher aus als noch im August: 61 Prozent sind für weitere Reformen.

Nur 31 Prozent wollen einen Reformstopp (vor drei Monaten lautete das Verhältnis 57 zu 37). Reformskeptiker gibt es vor allem unter den Sozialdemokraten.

market-Chef Werner Beutelmeyer erklärt allerdings, dass die Befürwortung des Reformtempos keine Aussage über die Ziele oder gar die Qualität der Reformen der derzeitigen Regierung zulässt. Sein eigenes Institut hat in der Vorwoche erhoben und in profil veröffentlicht, dass in den Auseinandersetzungen zwischen Bundespräsident Thomas Klestil und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel über die Reformpolitik 34 Prozent der Österreicher Klestil Recht geben und nur 28 Prozent Schüssel.

Die unabhängig davon durchgeführte SWS-Studie zeigt, dass Schüssel von der Bevölkerung wenig schmeichelhafte Attribute zugeordnet werden: 40 Prozent sehen ihn vor allem als Machtmenschen, 15 Prozent als einen Streber und nur neun als einen Staatsmann. Nur neun Prozent der von SWS Befragten sieht eine bei allfälligen Neuwahlen gesicherte Mehrheit hinter der amtierenden schwarz-blauen Koalition.

Kritik auch an Klestil

Derselben market-Umfrage, in der Klestil im Streit mit Schüssel der (relative) Vorzug gegeben wurde, ist zu entnehmen, dass der Bundespräsident ebenfalls kritisiert wird: 25 Prozent (so viel wie noch nie) meinen, Klestil greife zu viel in die Tagespolitik ein, 27 Prozent sagen, er tue das zu wenig. Noch im April des Vorjahres hatten sich 36 Prozent mehr Aktivitäten von Klestil gewünscht.

Generell betrachtet dürfte sich das Verständnis der Bevölkerung vom Amt des Bundespräsidenten wieder gewandelt haben. Während in den letzten Jahren immer eine Mehrheit der Ansicht war, dass der Bundespräsident aktiv sein sollte, ist die Zahl jener, die ihn aktiv sehen wollen, nun erstmals größer. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.11.2003)