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Nina Persson: "I live and I learn ..."

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The Cardigans: "Long Gone Before Daylight" (Stockholm Records 2003)

Coverfoto: Stockholm Records
Das erste Leben der Cardigans begann, zumindest was CD-Veröffentlichungen anbelangt, 1994 mit "Emmerdale". Zweieinhalb Alben lang entwarfen die fünf Südschweden hinreißenden und keineswegs einfach gestrickten Harmonie-Pop; getragen von Gitarren, überzuckert mit Geigen, Flöten und Melodicas.

Das dritte Album "First Band on the Moon" (1996) mit dem Welthit "Lovefool" schloss die erste Phase ab und ließ zugleich das zweite Leben erahnen, das mit "Gran Turismo" (1998) im Zeichen des Rock stand. Statt 60er-Jahre-Easy Listening plötzlich Blondie-artige Klänge? Ungewohnte Härte führte zu einem teilweisen Publikumsaustausch, der Erfolg blieb ihnen indes treu.

Rückkehr nach stillen Jahren

Darauf folgte eine mit Solo-Projekten gefüllte künstlerische Pause, aus der die Cardigans erst dieses Jahr in alter Besetzung zurück kehrten. Und wieder hatten sie sich neu erfunden, mit ihrer dritten Inkarnation wieder viele überrascht: Mit sattem, abgeklärtem Westcoast-Rock; im Prinzip die schlimmste Musik auf Erden - aber wenn man Melodien schreiben kann, funktioniert sogar das. Das aktuelle Album "Long Gone Before Daylight" wäre nach amerikanischen Kriterien jedenfalls unter "Adult Contemporary Music" einzureihen, gruselig as it may sound.

Und wenn auch die sagen wir mal gut abgehangene Single "For what it's worth" selbst beim hundertsten Mal Anhören noch immer nicht so richtig in die Gänge kommen will, finden sich auf dem Album rasch einige brillante Songs: Allen voran der Opener "Communication", der zu dieser ganz speziellen Klasse "der Song, der es genau auf den Punkt bringt" gehört. Sehr schön auch das gemütlich dahintwängelnde "Live and learn" und - musikalisch zumindest - "You're the Storm". Ob Kriegsmetaphorik für ein Liebeslied der geeignetste semantische Pool ist, sei aber dahingestellt. Come raise your flag upon me / And if you want me, I’m your country ...

Band on the Run

Die vermisste Kontinuität und gleichzeitig die Erklärung für die vermeintlich willkürlichen Soundwechsel liegt außerhalb des Studios, nämlich auf der Konzertbühne. 1993 noch scheel beäugte Schülerband mit lieblicher Indie-Klangformel, schärften sich die Cardigans im Verlauf der vielen, vielen Konzerte und Touren, die noch folgen sollten, allmählich zu, um zehn Jahre später als gut abgehangene Rockband mit Vorliebe für US-Sound dazustehen.

Dass sie einst Black Sabbaths "Mr Crowley" als gezwitscherte A cappella-Version auf Maxisingle brannten, mochte damals noch als Gag verstanden werden. In Wahrheit begeisterten sich die Bandjungs jedoch von Anfang an für rockige Sounds. Und Sängerin Nina zog nach, lebte sich im Verlauf der Tournee-Jahre mehr und mehr ins Rockleben ein, begann die neue Pose sichtlich zu genießen.

Die Zukunft?

Die rückblickend vielleicht größte Überraschung an "Long Gone Before Daylight" war wohl, dass sie ein wenig wie die Plugged-Version von Ninas Solo-Projekt "A Camp" klingt. Das von manchen belächelte "Eurocountry"-Projekt wurde so zum Wegweiser für den Sound der Stammband - so fügt sich letztlich eines ins andere.

Und was zwischen den Zeilen eh schon durchklang: Wenn eine Band sich in erster Linie durch ihre Live-Erfahrungen weiter entwickelt hat, dann ist der Konzert-Besuch auf jeden Fall zu empfehlen. The Cardigans 2003 - beim nächsten Mal wird alles schon wieder ganz anders sein. (Josefson)