Bild nicht mehr verfügbar.

Das EMRG entschied, Rosenkranz müsse sich als Politikerin mehr gefallen lassen als Normalbürger.

Foto: APA/Robert Jaeger

Straßburg/Brüssel – Hans-Henning Scharsach durfte in einem "News"-Artikel 1995 über die Politik der FPÖ die FPÖ-Politikerin Barbara Rosenkranz als "Kellernazi" bezeichnen, heißt es in einem vorläufigen Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichts (EMRG) in Straßburg, das am Donnerstag veröffentlicht wurde. Wegen seiner zu Unrecht erfolgten Verurteilung steht ihm Schadenersatz zu.

Rosenkranz klagte auf Verleumdung

Rosenkranz hatte Scharsach auf Verleumdung geklagt, weil sie 1995 in seinem Artikel über die politische Lage in Österreich als Beispiel für einen "Kellernazi" angeführt worden war. Der Autor wurde vom Landesgericht St. Pölten wegen des Artikels zu 60.000 Schilling (4.360 Euro) Strafe auf Bewährung verurteilt, News musste 30.000 Schilling an Rosenkranz zahlen und das Urteil veröffentlichen. Das Urteil wurde vom Oberlandesgericht in Wien aufrecht erhalten.

Österreichs Gerichte ließen Scharsachs Begründung nicht gelten

Scharsach hatte sich darauf berufen, dass der frühere FPÖ-Chef Norbert Steger den Begriff geprägt habe und damit Menschen bezeichne, die privat aber nicht öffentlich nationalsozialistischem Gedankengut nahe stünden und ein ambivalentes Verhältnis dazu hätten. Die österreichischen Gerichte ließen dies nicht gelten und urteilten, dass der normale Leser diese Definition nicht kennen könne und dass die Bezeichnung "Kellernazi" daher Rosenkranz aktuelle Neo-Nazi Aktivitäten unterstelle, für die es aber keine Beweise gebe.

Eingiff in die freie Meinungsäußerung

Diese Urteile seien ein Eingriff in die freie Meinungsäußerung, waren sich die Richter am EMRG einig. Dieser sei nicht gerechtfertigt gewesen, insbesondere die Vorbestrafung Scharschachs. Die österreichischen Gerichte hätten fälschlicherweise die Äußerungen Scharsachs als Tatsachenfeststellung gewertet statt als Werturteil. Es gebe aber genug Fakten, die die Haltung Rosenkranz' zum Nationalsozialismus als ambivalent erscheinen ließen, meint der EMRG. Deshalb müsse die Bewertung im "News"-Artikel als tatsachengestütztes Werturteil eingestuft werden.

Politiker müssen sich mehr gefallen lassen als Normalbürger

Rosenkranz müsse sich als Politikerin mehr gefallen lassen als Normalbürger. Daher habe im Gesamtzusammenhang des konkreten Artikels die Bezeichnung "Kellernazi" nicht den akzeptablen Rahmen gesprengt. Die nationalen Gerichte hätten die Meinungsfreiheit mehr eingeschränkt, als in einer demokratischen Gesellschaft nötig.

Zugleich spricht der EMRG Scharsach und "News" Schadenersatz zu: 12,646.83 Euro für materielle Verluste, 6,424.94 als Ersatz für Kosten und Ausgaben. Außerdem soll Scharsach 5.000 Euro für immateriellen Schaden erhalten. Österreich muss auch für alle Steuern aufkommen, die auf diesen Schadenersatz erhoben werden. Die Zahlung ist binnen drei Monaten nach endgültigem Urteil zu leisten. (APA)