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Sie leben in ständiger Angst, erschrecken bei jedem Telefonklingeln, sind mit Belästigungen und Nachstellungen konfrontiert: Psychoterror- oder "Stalking"-Opfer sind ständig von psychischer Gewalt bedroht, fühlen sich niemals und nirgends wirklich sicher.

Das Wort "Stalking" stammt aus der Jägersprache und bedeutet "anpirschen". In den meisten Fällen sind Stalking-Opfer Frauen; die - zu 90 Prozent männlichen - TäterInnen ihnen fast immer bekannt. Oft sind es aber auch Personen, die soziale Probleme haben – etwa Stalker, die in ihr Opfer verliebt sind, oder mit Gewalt ein Treffen erzwingen wollen. Besonders häufig kommt es auch nach einer Trennung oder Scheidung nach familiärer Gewalt zu Stalking, weiß Karin Spacek vom Frauennotruf der Stadt Wien: „Psychoterror wird ganz gezielt eingesetzt, um Macht und Kontrolle über die andere Person zu erlangen – die betroffene Person kann nicht mehr frei über ihr Leben bestimmen, es beeinträchtigt massiv den persönlichen Lebensbereich der Opfer und hat längerfristig psychische, körperliche und soziale Folgen.“

Schwere Folgen

Diese seien oft jenen ähnlich, die bei Opfern von körperlicher oder sexueller Gewalt zu beobachten sind. Die Betroffenen leiden etwa unter Angstzuständen, Schlafstörungen, depressiven Reaktionen, oder psychosomatischen Beschwerden. Der Alltag der Opfer wird vom Versuch gelenkt, dem Täter oder der Täterin zu entkommen, was bis zur Aufgabe von Wohnung, Arbeitsplatz und Bekanntenkreis führen kann.

Verfolgung und Bedrohung

Die Formen des Psychoterrors sind vielfältig: Verfolgen und Abpassen vor Wohnung oder Arbeitsplatz kommen laut britischen und amerikanischen Studien mit 80 Prozent am häufigsten vor, gefolgt vom Telefonterror (70 Prozent), Zerstörung von Eigentum (30 Prozent), Drohungen und körperlichen Übergriffen (50 Prozent. Die Stalker zeigen oft große Beharrlichkeit und Ausdauer, die Belästigungen dauern im Schnitt ein bis zwei Jahre, bei Expartnern oft auch bis zu fünf Jahre und länger.

Opferzahlen

In Amerika sind jährlich 1.000.000 Frauen und 400.000 Männer von Stalking betroffen. Jede 12. Frau wird dort einmal in ihrem Leben Opfer von Psychoterror. In Großbritannien sind es jährlich 600.000 Frauen und 250.000 Männer. In Wien ergab eine IFES-Studie mit 1.000 Frauen, dass mehr als ein Viertel schon über einen längeren Zeitraum mit unerwünschten Telefonanrufen belästigt worden war, sieben Prozent waren mit Drohungen und Sachbeschädigung konfrontiert, sechs Prozent lauerte der Täter auf. Einem Drittel der Frauen war die Person bekannt, in 37 Prozent war es der Ex-Partner. 70 Prozent litten durch die Belästigungen und Bedrohungen an psychischen Beschwerden.

Hilflose HelferInnen

„Bei jeder 10. Anruferin, die sich an unsere Einrichtung wendet, ist das zentrale Thema, dass sie von ihrem Ex-Partner oder von einem flüchtig Bekannten gestalked wird und in jedem fünften Beratungsgespräch steht diese Problematik im Vordergrund“, schildert das Team des Frauennotrufs in Wien. „Die Betroffenen sind verzweifelt, haben vieles versucht – Geheimnummer, Konfrontation mit dem Belästiger, Kontaktaufnahme mit Polizei, Verstecken, Rückzug – aber nichts davon hat geholfen.“ Es sei tatsächlich so, dass man in den seltensten Fällen wirklich etwas dagegen tun könne. Eine Anzeige sei vielfach gar nicht möglich: „Das ist für uns als Beratungsstelle eine wirklich schwierige Situation.“ Die meisten Frauen würden sich meist dann an den Notruf wenden, wenn der Psychoterror schon längere Zeit andauere. Oft schöpften die betroffenen Frauen zwar Mut und Kraft aus einem Gespräch, aber dann kehrten sie zurück in den Lebensalltag, der von der Flucht vor dem Stalker bestimmt ist.

Kein Rechtsschutz in Österreich

In vielen Ländern gibt es zum Schutz der Psychoterror-Opfer bereits „Anti-Stalking“-Gesetze. In den USA war Kalifornien der erste Bundesstaat, der es einführte, in Europa verfügen etwa England, die Niederlande, Schweden und Belgien über eine solche Regelung. Deutschland erfasst Aspekte von Psychoterror im Gewaltschutzgesetz, bei der Staatsanwaltschaft in Bremen gibt es sogar ein eigenes Sonderdezernat zur Verfolgung von Stalking mit speziell geschulten Beauftragten. In Österreich fehlt bis jetzt eine Gesetzesinitiative, die raschen und effizienten Schutz für die Betroffenen sicherstellt. Selbst PolizistInnen haben damit keine Möglichkeit, wirklich hilfreich einzugreifen. Der Frauennotruf setzt sich deshalb gemeinsam mit der Wiener Frauenstadträtin Renate Brauner derzeit intensiv für die Schaffung eines solchen Gesetzes ein, denn, so Notruf-Leiterin Spacek: „Das Recht, in Ruhe gelassen zu werden muss für die Betroffenen durchsetzbar und für die Täter bei Nichtbeachtung mit Konsequenzen verbunden sein.“ (red)