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++PRO Von Gudrun Harrer

Unsinn, es ist wirklich nicht deshalb, weil ich nach der diesjährigen Gänsekonsumation trotz Zuführung von Artischockenpillen und Hollerschnaps eine sehr unruhige Nacht verbracht habe. Ich bin noch lange nicht auf den Truthahn gekommen, Pute auf Neuösterreichisch, ein völlig verzichtbares Tier vom kulinarischen Standpunkt aus. Thanksgiving, das hat mir aus anderen Gründen gleich gefallen, nicht zuletzt, weil die Pflicht zur Danksagung ja etwas zutiefst Katholisches ist, die richtige Reaktion auf das heidnische Halloween.

Auch die guten alten Puritaner, die wussten noch was von göttlichem shock and awe, da wurde Weihnachten und Ostern gefastet, nur zu Thanksgiving durfte ein wenig gefeiert werden - wenn es denn Anlass dazu gab, sonst wurde ein Bußtag daraus. Wenn also Dude heuer nicht in Sack und Asche im Weißen Haus herumrennt, dann kann ich ihn nicht einmal mehr als Fundi ernst nehmen.

Sonst ist mein Zugang zu Festtagen, religiös oder heidnisch oder - am häufigsten - sakralisiert-heidnisch, durchaus pragmatisch, transkulturell und internationalistisch: Ich hebe auf alle und alles gerne mein Glas. Denjenigen, die den US-Kulturimperialismus fürchten, empfehle ich, sich einmal die peinlich kurze Kulturgeschichte des Christbaums anzuschauen. Was mich aber endgültig für Thanksgiving eingenommen hat, ist, dass Sarah Josepha Hale, die unvergessene Dichterin von "Mary had a little lamb", Mitte des 19. Jahrhunderts jahrelang für die offizielle Einführung von Thanksgiving als Nationalfeiertag in den USA kampagnisieren musste. Sarah Josepha, ich trage deine Fackel weiter!

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--CONTRA
von Christoph Winder

Die Globalisierung ist bekanntlich ein Phänomen, welches sich in einer ungeheuren Beschleunigung, Entgrenzung und einem rapiden Anschwellen der internationalen Warenflüsse manifestiert. Kein Mensch wundert sich heute mehr, wenn er in Islamabad ein Nöm-Mix-Joghurt vorgesetzt bekommt oder einen Gabelroller auf den Seychellen. Dass dieses verschärfte Export- und Import-Geschehen auch vor Feiertagen nicht Halt macht, ist nur konsequent und nicht immer ohne Charme. Welches Kind hätte nicht begeistert die Gelegenheit wahrgenommen, sich an Halloween in ein gruseliges Kostüm zu werfen und allen Erwachsenen ungestraft auf die Nerven fallen zu dürfen?

Mit Thanksgiving, das nun ebenfalls langsam aber sicher in Österreich um sich zu greifen scheint, verhält es sich anders. Erstens ist das bei dieser Gelegenheit kredenzte "Festmahl" - Truthahn mit Kürbispastete - von einer derartigen kulinarischen Reizlosigkeit, dass ich ihm selbst Berner Würstel mit Pommes frites eindeutig vorziehen würde. Zum Zweiten bewegt sich der vierte Novembersonntag bereits gefährlich in der Nähe der kalorienschwangeren Weihnachtsfeiertage mit ihren fett glänzenden Zimtsternen und Kokosbusserln, sodass aus Gründen der Volksgesundheit die Einführung des Ramadan im Dezember weit sinnvoller wäre. Und schließlich wäre es im Sinne einer ausgeglichenen Handelsbilanz wünschenswert, wenn wir nicht immer nur importieren, sondern auch einmal ein paar hiesige Feiertage auf den Weltmärkten anbringen würden. Maria Lichtmess oder der Sankt Nimmerleinstag böten sich an. (Der Standard/rondo/14/11/2003)