Fotos: ORF
Mehr privat, weniger Staat: "Bachelor" und "Dismissed" sind nur die Höhepunkte kommerziellen Fernsehschaffens im öffentlich-rechtlichen ORF. DER STANDARD verschafft den Überblick, was denn alles auch bei den Privaten läuft oder von ihnen stammt.

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Nach dem Auftritt "Mahr Attacks!" im Samstag-STANDARD konnte sich die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" kaum mehr beruhigen. Erst dem ORF "Bachelor" andrehen und dann ORF 1 just wegen dieses "Menschenhandelsformats" und anderen Gemeinsamkeiten mit dem kommerziellen Fernsehen privatisieren wollen. Perfide Strategie von RTL-Infodirektor Hans Mahr.

Ganz Unrecht hat der frühere "Krone"-Manager nicht. Nicht wenige Sendungen bekommt man ohne Gebührengeld, wenngleich mit mehr Werbeunterbrechungen auch vom Privatfernsehen.

"Mahr Attacks!"

Nehmen wir als Beispiel kommenden Montag, ORF 1 ab sechs Uhr. "Willys große böse Wolf Show" und "Skippy, der Buschpilot" lieferte auch Super RTL ins Haus, "Woody Woodpecker" wie "Rockos modernes Leben" RTL. Tief durchatmen.

"Pippi Langstrumpf" indes ist öffentlich-rechtlicher Klassiker des Hessischen Rundfunks. "Malcolm mittendrin" findet sich auch bei Pro Sieben, "Hör mal, wer da hämmert" bei RTL, "Sabrina" wieder auf Pro Sieben und "Felicity" war bei RTL zu haben. (Werbe-)Pause gefällig?

Den Film "Zwillinge" konnten wir auch schon bei anderen besichtigen. "Eine starke Familie" verbindet den Küniglberg mit Köln und RTL.

RTL, Pro Sieben, ORF

"Neptuns Tochter" im "Confetti TiVi Kinderprogramm" hat auch das öffentlich-rechtliche ZDF, "Confettis Adventkalender" und "Confetti Play Town" und die orthografisch nicht ganz geglückte "Mimi’s Schnattershow" sind gar fünf mal fünf Minuten Eigenproduktion wie auch weitere zehn mit "Confetti Town".

Dazwischen "Weihnachtsmann & Co KG" (Super RTL), Disneys Herkules (Pro Sieben), "Rockos modernes Leben" (RTL), "Die Simpsons" und "Malcolm mittendrin" (alle Pro Sieben). "Als die Tiere den Wald verließen" nebst "Marcelino" laufen bald auch bei den öffentlich-rechtlichen HR und Kinderkanal.

Zwei eigenproduzierte "Newsflashes" noch und das jung gehaltene Magazin "25", sonst folgen bis zur "ZiB" Serien, die auch RTL und Pro Sieben bieten. Die "Millionenshow" unterscheiden Kandidaten und Moderator aus Österreich von RTL. Aber so wollte das auch ATV+ halten. Der heimische Privatsender hatte schon einen unterschriebenen Vorvertrag über das Format mit der Produktionsfirma.

" ... kommt darin um"

Bei der öffentlich-rechtlichen Alternative zum "Bachelor" ist der Bayerische Rundfunk "Herzblatt" des ORF. Die Filmpremiere "The Art of War" läuft parallel im öffentlich-rechtlichen ZDF, "Philadelphia" kam auch schon in Sat.1.

MTV veranstaltete das Konzert zum Weltaidstag in Südafrika, im ORF ab 2.00 Uhr. Noch ein bisschen privater zeigt sich ORF 1 dann am Dienstagabend. Wohin das am Ende führt, das bekommt dieser Tage der Österreichische Rundfunk zu spüren, nach dem Motto: "Wer sich als Öffentlich-Rechtlicher auf das Parkett des Privatfunks begibt, kommt darin um, schrieb die "Frankfurter Allgemeine" an die Adresse der deutschen öffentlich-rechtlichen Anstalten. Dass sie tagelang den ORF verarztet, hat wohl vor allem einen Grund: ARD und ZDF arbeiten gerade an einer Gebührenerhöhung.

Notwendigkeit hinterfragen

Eine gute Zeit, um die Notwendigkeit dieser Programme zu hinterfragen. Wo doch die ARD erst vor kurzem mit üppigem Gebührengeld den Privatsendern die deutsche Bundesliga wegschnappte. Auch ATV+ wirft dem ORF vor, alle greifbaren Sportrechte zusammenzukaufen.

ORF 2 läuft nicht so rasch Verwechslungsgefahr. Aber Serien wie "Reich und schön" (ZDF) oder "Nikola" (RTL) sind schuld, dass der ORF seinen zweiten Kanal nicht rund um die Uhr unverschlüsselt via Satellit ausstrahlen kann: Die TV-Rechte hat die Anstalt nur für Österreich.

Anleihen beim Privatfernsehen nimmt der Küniglberg nicht nur mit Serien: Talkformate in ORF 2 wie "Karlich Show" oder "Vera" hatten Vorbilder im kommerziellen Fernsehen, nicht nur "Starmania" und "Taxi Orange".

"Was Frauen wollen"

Sonntag lässt der ORF nun doch in "Offen gesagt" diskutieren über das Frauenbild in den Medien. Eigenwilliger Titel "Was Frauen wirklich wollen." Weit weg vom Anlassfall "Bachelor", der mittwochabends in ORF 1 läuft.

Dazu mussten ihn erst Politikerinnen und Stiftungsräte aller Lager drängen. Nur da konnte ihn das Privatfernsehen überholen: ATV+ ließ schon Dienstagabend über Rassismen in seiner Dokusoap "Tausche Familie" debattieren. Direkt nach der Sendung. (Doris Priesching, Harald Fidler/DER STANDARD; Printausgabe, 29./30.11.2003)