Kürzlich wurde die erfreuliche Entscheidung publik: Robert Menasse erhält den Erich-Fried-Preis. Einziger Juror: Robert Schindel. Doch dann stockt der szenekundige Leser. Ist das wirklich eine erfreuliche Entscheidung, wenn man nicht Menasse heißt? War da nicht erst kürzlich irgendein anderer, hoch dotierter Preis? Also an die Recherche. Das Ergebnis ist ein wohl vor allem für Robert Menasse sehr erfreuliches: Allein in den Jahren 1999 bis 2003 hat er Literaturpreise in Höhe von 128.000 Euro erhalten - ohne Garantie auf Vollständigkeit. Durchgerechnet bedeutet das, dass dieser Autor in den letzten fünf Jahren monatlich rund 29.500 öS an weitgehend steuerfreien Zuwendungen bekommen hat (und - nebenbei bemerkt - überlegt hat auszuwandern, weil die Steuerbelastung in Österreich so hoch ist).

Im Vergleich zu Grassers Homepage-Förderung mag das eine Petitesse sein, im Vergleich zur finanziellen Situation von Autorinnen und Autoren, die Menasse literarisch durchaus das Wasser reichen können, ist das ein Skandal. Man muss nicht unbedingt ein durchgeknallter Neoliberaler sein, um darin eine krasse Wettbewerbsverzerrung zu erkennen. Bemerkenswert ist ja auch, dass Autoren von großen Verlagen in weit höherem Ausmaß an Preise herankommen als jene aus Kleinverlagen. Es ist also eine zweifache Benachteiligung zu erkennen: einerseits jener Autoren, die mangels Zugehörigkeit zu einer entsprechenden Seilschaft selten oder nie an Förderungen und Preise herankommen. Andererseits aber auch eine Benachteiligung all der kleinen Verlage, die ihre Autoren eben nicht mit solchen Geldsummen aus öffentlicher Hand versorgen können, weil sie weder über den Einfluss in den zuständigen Gremien verfügen, noch die Juroren entsprechend "bearbeiten" können. Das derzeitige System fördert auf jeden Fall monopolistische Strukturen sowohl auf Verlagsebene als auch bei den Autorinnen und Autoren. Hier, wo sehr wohl die Gießkanne als Förderprinzip sinnvoll wäre, wird eher mit einer Art Wasserwerfer auf einige wenige gezielt. Das Ergebnis dieser Politik: Großverlage mit ihren Autoren, denen fast chancenlose Kleinverlage gegenüberstehen.

Insgesamt lassen sich seit 1990 rund vier Millionen Schilling an Stipendien und Preisen finden, die der Autor Menasse erhalten hat - und wie gesagt: ohne Anspruch auf Vollständigkeit und steuerfrei. Dass im konkreten Fall des Erich-Fried-Preises auch noch offensichtliche Freunderlwirtschaft im Spiel ist, könnte einem egal sein, denn im Kulturbereich ist das bekannterweise nicht unüblich. Aber: Haben wir nicht gerade eine Debatte über merkwürdige Postenbesetzungen in der ÖIAG? Mit wahrhaft traumhaften Gagen (ja, auch in dieser Hinsicht sind Menasses Preisgelder lächerlich)? Aber kritisieren wir nicht alle den Sumpf, der sich da gebildet hat? Und wie schaut es im Sumpf der wechselseitigen Förderungen, Bepreisungen etc. im Kulturbereich aus? Welche Seilschaften verteilen hier die meist öffentlichen Mittel? Alles natürlich unter dem prüfenden Auge von Kommissionen und Vergabestellen, die merkwürdigerweise immer wieder die gleichen Leute beteilen. So wie in der ÖIAG merkwürdigerweise immer der Kreis der Freunde von Prinzhorn zum Zug kommt. Ein Schelm, wer da Parallelen erkennt.

Und um ein sicher kommendes Argument gleich im Vorhinein zu erwidern: Hier geht es nicht um irgendwelche Neidgefühle. Ich wünsche Menasse, dass er von seinen Romanen (deren bisher letzter, Die Vertreibung aus der Hölle, ja tatsächlich ein ausgezeichnetes und wichtiges Buch ist) so viele verkauft, dass er sich davon ein gutes, von mir aus auch luxuriöses Leben leisten kann. Das hat allerdings durchaus egoistische Gründe: Jedes verkaufte, gute Buch führt zu zufriedenen Lesern, zieht weitere Buchkäufe nach sich und erhöht damit auch die Chancen anderer, wahrgenommen zu werden und entsprechende Verkäufe erzielen zu können. Dass der Staat und öffentliche Einrichtungen allerdings derart einseitig in die Produktion von Literatur (und das gilt wohl auch für andere Kultursparten) eingreifen, dass die Produktionsbedingungen zwischen den Autoren krass auseinander driften, ist durch nichts zu rechtfertigen.

Also plädiere ich für die Abschaffung des ganzen Preisverleihungsunfugs mitsamt der Vergabeklüngelei bei Stipendien - so wie ich dagegen bin, dass man Herrn Stronach Unternehmen zu Sonderbedingungen zuzuschieben versucht. Ich finde Grassers Homepage-Finanzierung genauso unappetitlich wie diverse Geldvergaben im Kulturbetrieb. Leider löst das keineswegs das Problem, dass viele Künstlerinnen und Künstler von den Erträgen ihrer Werke nicht leben können. Aber Besseres als das derzeitige, extrem einseitige System lässt sich jederzeit finden. Wie wäre es etwa mit einer Grundsicherung für alle Menschen in diesem Land - dann brauchen wir keine Stipendien zum Überleben; keine Preise, um über die Runden zu kommen - und wir ersparen uns die Debatte über Förderungsmillionäre. Wenn uns dann noch ein vernünftiges Sozialversicherungssystem einfällt, das sich auch die Neuen Selbstständigen leisten können (und als solche gelten Künstler), ist das gerecht und vernünftig.

Es wäre endlich Schluss damit, dass einige wenige, sehr geschickte Netzwerker auf Kosten aller anderen Vorteile aus einem System ziehen, das mehr Ungerechtigkeit schafft als beseitigt. Wenn man dann noch die Steuerbegünstigungen für diese Preise abschafft, ist der Gleichstand mit jenen Bürgern erreicht, die diese Gelder finanzieren. (Normale Stipendien würden übrigens ohnedies unter den Besteuerungsgrenzen bleiben!) Diese Maßnahmen würden den Kunstschaffenden endlich die leidige Diskussion darüber ersparen, ob Einzelnen von ihnen mittels Sonderrechten das Überleben in einem Ausmaß gesichert wird, von dem der arbeitslose Bauarbeiter nur träumen kann. [] (DER STANDARD, Printausgabe vom 29./30.11.2003)