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Roger Martin Buergel

Foto: APA/dpa/Uwe Zucchi
Er möchte "Beziehungen in den Raum stellen, ohne sie zu fixieren", sagte Roger Martin Buergel im Vorjahr über eine von ihm kuratierte Ausstellung. Zum endgültigen Fixieren, spätestens im Zusammenhang mit den vom Markt heiß nachgefragten "Künstlerlisten", wird der 1962 in Berlin geborene, in Wien lebende Kunsttheoretiker und Künstler nun aber kommen müssen: Er wurde vom siebenköpfigen internationalen Komitee zum künstlerischen Leiter der Documenta 12 im deutschen Kassel erkoren.

Damit stellte die Jury einen überraschenden Mann an die Spitze der wohl renommiertesten Kunstveranstaltung weltweit. Spätestens 2007, im Jahr der nächsten Documenta, wird der Fachmann mit der Liebe zu Theorie und Diskurs ("Ästhetische Theorie oder die Praxis eines Diskurses, der sich der Anwendung entzieht", hieß ein Vortrag) allseits bekannt sein. Für die renommierte Menil Collection in Houston, Texas, war Buergel bereits im November 2002 der erste Gewinner des "Walter Hopps Award for Curatorial Achievement".

Gemeinsam mit seiner Frau, der Wiener Kunsthistorikerin Ruth Noack, mit der er zwei Kinder hat, kuratierte Buergel, der auch zu einem der Gründungsmitglieder der Wiener Kunstzeitschrift springerin zählt, u.a. die Gruppenschau "Dinge, die wir nicht verstehen" in der Wiener Generali Foundation (2000). Hier, bei der Thematik über Notwendigkeit und Grenzen von politischem Engagement in der Kunst, die letztlich auch die Frage der ästhetischen Autonomie miteinbezieht, fiel ein Zitat, das man bei Buergel allgemein verstehen darf: "Die Kunst als Disziplin, mit der man Andersheit lernen kann."

Kunst dreht sich für Buergel auch um Macht- und Herrschaftsbeziehungen. Seine Schau über "Gouvernementalität" anlässlich der Expo 2000 in Hannover belegte dies. Buergel, ein geduldiger Vermittler, war dort angeblich ständig anwesend, um den Besuchern seine Ausstellung zu erklären. 23 Kunstschaffende, darunter Anna Jermolaewa oder Klub Zwei, gruppierte Buergel um "zeitgenössische Regierungstechniken und Formen der Machtausübung".

Gemeinsam mit dem Russen Konstantin Bochorow kuratierte der auch dem Medium Film Verbundene 2001 die Schau "The Subject and the Power" rund um das Verhältnis von Macht und Individualität. Seit 2001 fungiert Buergel als Lektor für Visuelle Theorie an der Uni Lüneburg.

Buergel, der von 1985 bis 1987 übrigens Privatsekretär von Hermann Nitsch war, stellte kürzlich mit Noack in Leipzig die Schau "Formen der Organisation" zusammen, u.a. mit Peter Friedl (über den er publizierte), Liesl Ponger oder Andreas Siekmann.

Eines steht jedenfalls fest: Die Documenta 12 verspricht ein Ritt durch die Diskurse zu werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 4.12.2003)