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Ernst Strasser: "Ich werde nicht dafür bezahlt, dass es lustig ist, sondern dafür, eine Aufgabe zu erfüllen"

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Der Innenminister spricht über Außenpolitik. Ernst Strasser ist für eine militärische Beistandspflicht in der EU und strikt gegen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Als möglicher Außenminister im Gespräch zu sein stört den Innenminister nicht mehr. Das Interview führte Michael Völker.

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STANDARD: In den letzten Tagen wird viel über eine europäische Beistandspflicht diskutiert. Treten Sie für eine Beistandspflicht Österreichs ein?

Strasser: Ich sehe das sehr klar: Wenn wir im europäischen Sicherheitssystem mit dabei sein wollen, und ich bin sehr dafür, dann ist es selbstverständlich, dass man sich gegenseitig unterstützt. Alles andere ist keine Beistandspflicht. Das ist ein Kernpunkt europäischer Politik. Es muss jedem Partner klar werden, dass europäische Sicherheitspolitik auch Konsequenzen haben kann, falls es notwendig wäre, hoffentlich nie Konsequenzen haben muss.

STANDARD: Auch mit einem gemeinsamen Heer, an dem sich Österreich beteiligt?

Strasser: Grundsätzlich ist es notwendig, dass ein enger Verbund angestrebt wird. Das ist für die Sicherung der europäischen Interessen eine Zukunftsaufgabe. Aus Sicht des Innenministers füge ich hinzu: Es besteht ein wesentlich engerer Zusammenhang zwischen Außenpolitik, äußerer und innerer Sicherheit, als das von der Organisation der europäischen Gemeinschaft gespiegelt wird.

STANDARD: Soll Österreich die Neutralität aufgeben?

Strasser: Diese Frage ist eine theoretische, denn tatsächlich ist es so, dass mit den EU-Verträgen ein großer Schritt hin zu einer gemeinschaftlichen europäischen Politik gemacht worden ist. Das ist gut so.

STANDARD: Ist die Neutralität also bereits obsolet?

Strasser: Ich will dieses Wort nicht verwenden. Es ist aber völlig klar, dass wir unter Neutralität heute, aufgrund der völkerrechtlichen Verträge und Bindungen, und auch aufgrund der praktischen Politik, die wir betreiben, etwas anderes verstehen, als das am Ende der 50er-Jahre gewesen ist.

STANDARD: Soll die Türkei der EU betreten?

Strasser: Diese Diskussion wird derzeit von Außenpolitikern geführt, und es ist die falsche Diskussion. Wir müssen diese Frage aus der Sicht der inneren Sicherheit sehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man ernsthaft über eine Integration oder auch nur über konkrete Integrationsbemühungen diskutiert, wenn man weiß, dass die Türkei unter den Top-Ten-Ländern ist, deren Flüchtlingen wir Asyl gewähren. Es wird doch niemand ernsthaft meinen, dass wir große Integrationsbemühung mit einem Land machen sollen, aus dem sehr viele Asylsuchende nach Österreich kommen. Zweiter Punkt: Vorbedingung für verstärkte Integrationsbemühungen ist die Drittstaatssicherheit. Die Türkei ist derzeit kein sicherer Drittstaat. Die Genfer Flüchtlingskonvention und die europäischen Menschenrechte müssten eine Selbstverständlichkeit sein.

STANDARD: Die Türkei ist also noch nicht reif für Beitrittsverhandlungen?

Strasser: Diese Frage stellt sich so nicht. Ich stelle die Frage: Wann können wir die Visapflicht für türkische Staatsbürger aufheben? Wann können wir sagen, die Türkei ist ein sicherer Drittstaat? Wann können wir sagen, es ist nicht notwendig, wenn jemand aus der Türkei um Asyl ansucht, dass wir diese Frage prüfen, weil es einfach denkunmöglich ist, dass aus diesem Land Asylsuchende kommen.

STANDARD: Sie interessieren sich ja doch sehr für Außenpolitik. Werden Sie Benita Ferrero-Waldner als Außenminister nachfolgen, wenn sie als Präsidentschaftskandidatin nominiert wird?

Strasser: Die Entscheidung über den Präsidentschaftskandidaten der ÖVP ist frühestens in der zweiten Jännerhälfte notwendig. Was mich betrifft, habe ich im Jahr 2000 begonnen, die Sicherheitsarchitektur Österreichs grundsätzlich zu analysieren, und wir haben sehr konsequent in den jetzt fast vier Jahren die Organisation an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst. Als Schlussstein dieser Entwicklung steht die Zusammenführung von Gendarmerie und Polizei.

STANDARD: Somit hätten Sie Ihre Aufgabe erledigt und wären bereit für neue Herausforderungen. So lustig ist der Job eines Innenministers ja nicht.

Strasser: Ich werde nicht dafür bezahlt, dass es lustig ist, sondern dafür, eine Aufgabe zu erfüllen. Diese möchte ich fertig machen können. Ab September 2004 werden wir mit der Umsetzung der Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie beginnen, am Ende der Legislaturperiode sollten wir mit der Zusammenführung fertig sein.

STANDARD: Können Sie sich vorstellen, Außenminister zu sein?

Strasser: Ich habe mich oft geärgert über die Gerüchte. Ich war als ÖAAB-Obmann, als Wiener ÖVP-Obmann oder als Landeshauptmann von Niederösterreich im Gespräch. Sie fragen mich nach dem Außenminister. Inzwischen denke ich mir, besser ist, man traut mir das eine oder andere zu, als man sagt, der könnte das nicht - und lächle still in mich hinein. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6./7./8.12.2003)