Der Vorschlag der italienischen Präsidentschaft, die militärische Beistandspflicht in der neuen EU-Verfassung zu verankern, hat Montag in zahlreichen europäischen Hauptstädten Staub aufgewirbelt. Als die irische Wählerschaft im Oktober 2002 zum zweiten Mal über den EU-Vertrag von Nizza abstimmen musste, versuchte die irische Regierung, die bittere Pille zu versüßen. Zugleich mit der Ratifikation wurde ein neuer Passus in der irischen Verfassung verankert, wonach das Volk vor dem Beitritt Irlands zu einem militärischen Beistandspakt befragt werden müsse. Diese Verpflichtung ist inzwischen verbindlich.

Der irische Außenminister, Brian Cowen, begründete die gemeinsame Initiative Österreichs, Finnlands, Schwedens und Irlands in der EU-Sicherheitspolitik am Freitag mit dem "Automatismus" der gegenseitigen Beistandspflicht, der gemäß der italienischen Entwurf in der neuen EU-Verfassung festgeschrieben werden soll. Die Italiener fordern eine unbedingte Hilfeleistung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, sofern ein EU-Mitglied auf seinem eigenen Territorium angegriffen wird.

"Um Beistand ersuchen"

Die Außenminister der vier neutralen Staaten schlagen nun in einem gemeinsam unterschriebenen Brief vor, dass das angegriffene Land die restlichen EU-Mitglieder "um Beistand ersuchen darf". Streng genommen handelt es sich dabei um eine Selbstverständlichkeit, die nicht eigens vertraglich festgehalten werden müsste, aber Dublin beharrt darauf, dass ein derartiges Gesuch dem souveränen Gutdünken des irischen Parlaments anheim gestellt sei. Pikanterweise übernimmt Irland den EU-Vorsitz in wenigen Wochen.

Gewährsleute im irischen Außenministerium versicherten dem STANDARD Montag, dass der Brief der vier Außenminister einer gemeinsamen Initiative entsprungen sei und nicht den Bedürfnissen eines einzelnen Staates. Die Formulierungen seien vergangene Woche in Brüssel von den zuständigen Diplomaten ausgehandelt worden. Die Frage, ob eine schwächere Formel als die von den vier vorgeschlagene überhaupt denkbar sei, wollte der Gewährsmann im irischen Außenministerium nicht beantworten, sondern bemerkte lediglich, der Wunsch nach einem Passus über die militärische Beistandspflicht komme ja nicht aus den Reihen der Neutralen.

Es scheint verfassungsmäßig noch offen, ob ein einfaches Referendum in Irland über den EU-Verfassungsentwurf genügen würde, sollte dieser die Beistandspflicht enthalten. Denkbar wäre es auch, dass diese Frage dem Wähler getrennt vorgelegt werden müsste. Jedenfalls scheint es unwahrscheinlich, dass die Iren einer derartigen Verpflichtung zustimmen würden. Die Bewahrung der Neutralität bildete in beiden Referenden über Nizza mit Abstand den wichtigsten Streitpunkt in der Kampagne. (DER STANDARD, Printausgabe, 9.12.2003)