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Polens Premier Leszek Miller will trotz seiner Wirbelbrüche, die er vor einigen Tagen bei einem Helikopterabsturz erlitt, am Brüsseler Gipfel teilnehmen, um Warschaus umstrittene Position zu verteidigen - notfalls im Rollstuhl, wie es aus seiner Umgebung hieß.

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Berlin - Deutschland und Polen haben ihren Streit um die Stimmen-Gewichtung in der EU noch nicht beigelegt. Auch beim Treffen von Bundeskanzler Gerhard Schröder mit Polens Staatspräsident Aleksander Kwasniewski wurde am Donnerstag keine Annäherung sichtbar.

Polen weiterhin skeptisch...

Der polnische Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz sagte nach dem Gespräch im Kanzleramt, das Treffen habe keine Lösung gebracht. Er zeigte sich skeptisch, ob beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs an diesem Freitag und Samstag in Brüssel eine Einigung über die neue Verfassung erreicht werden kann.

... und schließt Veto nicht aus

Kwasniewski hatte vor dem Gespräch mit Schröder ein Veto seines Landes gegen den Verfassungsentwurf des EU-Konvents nicht ausgeschlossen, weil er die kleineren Mitgliedsländer benachteilige.

Polen will wie Spanien an der im Vertrag von Nizza festgelegten Stimmengewichtung festhalten, die beiden Ländern fast ebenso großen Einfluss einräumt wie den großen Mitgliedstaaten. Deutschland und Frankreich beharren dagegen auf einen Abstimmungsmodus, der den bevölkerungsreichsten EU-Ländern mehr Gewicht gibt.

"Krisenfrühstück" am Freitag

Der britische Premier Tony Blair, Frankreichs Präsident Jacques Chirac und der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder setzten ein Krisenfrühstück für den Morgen des ersten Gipfeltages (Freitag) an.

"Können Fiasko leider nicht ausschließen"

Falls das Stimmrecht Polens geschmälert werde, werde Polen ein Veto einlegen, sagte der polnische Präsident Aleksander Kwasniewski bereits am Mittwoch dem britischen Rundfundsender BBC. "Wir können ein Regierungskonferenz-Fiasko leider nicht ausschließen, weil die extrem polarisierten Positionen auf radikale Weise zum Ausdruck gebracht werden", so Polens Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz am Mittwoch in Warschau. Falls Deutschland und Frankreich Polen die Verantwortung dafür aufbürden wollten, sei dies nicht redlich, klagte er.

Dabei steht die Minderheitsregierung in Warschau nicht nur in Paris und Berlin in der Kritik, weil sie ihr Nein zu einer neuen Stimmengewichtung bisher allzu kategorisch vorgetragen hat. Ein hoher Brüsseler Diplomat illustriert die Frustration in der EU-Hauptstadt so: "Wenn man etwas als nicht verhandelbar darstellt, braucht man eben keine Verhandlungen zu beginnen - dann aber ist der Gipfel schnell aus." EU-Kommissar Franz Fischler ätzt: "Allmählich bekomme ich den Eindruck, dass die EU Polen beitritt und nicht umgekehrt."

Milliardenschweres Schmerzpflaster

Dabei hatten die Deutschen offenbar auch mit Geld versucht, die Polen zu beeinflussen: Wie in Berliner Regierungskreisen verlautet, sollen Polen sieben Milliarden Euro an zusätzlichen Beihilfen aus dem EU-Budget versprochen worden sein, falls es seinen Widerstand aufgebe. Die Beratungen für die EU-Finanzplanung ab 2007 wird die EU-Kommission kurz nach Abschluss des Gipfels starten.

Nur Spanien und Polen offen gegen Reform

Außer Polen zeigt sich auch Spanien in der Stimmenfrage hart. Zuletzt übergab dessen Außenministerium ein zehn Seiten langes Argumentationspapier an Brüsseler Korrespondenten, in dem die spanische Position erläutert wird. Genau wie Warschau fürchtet Madrid eine Bevorzugung der vier großen EU-Staaten auf Kosten der Kleinen durch das neue Stimmsystem. Auffällig ist dabei, dass außer Spanien und Polen kein Land offen gegen die Reform opponiert.

Fristenlösungen

Eher den EU-Traditionen entspricht hingegen der Kompromiss, den Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker in der Zeit vorschlägt: Entscheidung jetzt, Inkrafttreten der neuen Stimmengewichtung aber erst 2014. ((APA/dpa/Jörg Wojahn, DER STANDARD, Printausgabe, 11.12.2003/red)