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Pilz: "Wir brauchen die Beistandspflicht jetzt - als Sperrriegel gegen die NATO"

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Wien - Die Debatte innerhalb der Grünen um die Beistandspflicht dauert an. Sicherheitssprecher Peter Pilz bekräftigte in der Mittags-ZIB des ORF-Fernsehens am Donnerstag seine Ansicht, dass "Beistandspflicht ja überhaupt keine Vorbereitung auf den Dritten Weltkrieg in Europa" sei, sondern den östlichen Ländern "das notwendige Maß an Sicherheit geben" könnte, damit die USA Europa in der Sicherheit nicht weiter spalten könne. "Selbstverständlich" bleibe die Neutralität der "Verfassungsriegel gegen ein Abrutschen in die NATO, aber sie soll so modifiziert werden, dass wir uns innerhalb der EU an der vollen Solidarität und an keiner eingeschränkten Solidarität beteiligen können".

Dies bedeute eine "gemeinsame Änderung des Neutralitätsgesetzes". Selbst wenn sich die Grünen darauf einigen könnten, worauf er hoffe, "werden wir noch jemand anderen brauchen, um die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit zu erhalten". Was den jüngsten italienischen Vorschlag für eine Beistandspflicht betrifft, meinte Pilz, "wir haben jetzt 20 bis 30 verschiedene Kompromissvorschläge auf dem Tisch. Das wird nicht der Weisheit letzter Schluss sein".

Generell stehe man in Österreich und Europa vor der "großen Frage, wie vereinbaren wir hier Solidarität und Neutralität". Bei der Neutralität handle es sich auch nicht um eine Frage der Tradition, sondern "der Zukunft. Neutralität ist kein Trachtenanzug, den wir schützen müssen, sondern eine Antwort auf die Frage, was soll Österreich jetzt beitragen". Europa sei ja sicherheitspolitisch nach dem Irak-Krieg tief gespalten. "Die Beistandsgarantie, die wir im Moment im grünen Meinungsbildungsprozess sehr intensiv öffentlich diskutieren, ist eine mögliche Antwort auf die Frage, welche Sicherheit wir jenen geben, die sich in Europa unsicher fühlen".

Van der Bellen hat kein Problem mit Pilz

Die Grünen versuchen in der Debatte Beistandspflicht und Neutralität auf eine Linie zu kommen. Bundessprecher Alexander Van der Bellen erklärte am Freitag, die Frage der Beistandspflicht sei derzeit "keine zentrale. Vielmehr geht es am Wochenende beim Brüssel-Gipfel darum, ob sich die Union an der Erweiterung überhoben hat und ob die Regierungskonferenz scheitert".

Dass Pilz zuletzt entgegen anderer grüner Stellungnahmen erklärt hatte, er sei für die Beistandspflicht und die Neutralität müsse modifiziert werden, sieht Van der Bellen als "innovative Idee, auch wenn das nicht der Parteilinie entspricht". Nur eine "Aufgabe der Neutralität leuchtet mir vor dem Hintergrund des jämmerlichen Zustands der EU nicht ein. Und auch Pilz will ja die Neutralität außerhalb der EU nicht aufgeben".

Van der Bellen meinte ferner, dass "Pilz die zeitliche Reihung etwas anders sieht". Bei den Grünen werde grundsätzlich das Ziel einer gemeinschaftlichen Verteidigungspolitik in der EU von allen geteilt. "Das ist nicht der Konfliktpunkt". Allerdings habe diese gemeinschaftliche Verteidigungspolitik einige Voraussetzungen, beispielsweise müsse es vorher eine gemeinsame europäische Außenpolitik geben. Und die Verteidigungspolitik dürfe nicht einfach ein Anhängsel der NATO sein. "Das ist derzeit nicht der Fall. Ich unterstütze Europasprecher Johannes Voggenhuber, wenn er sagt, die gemeinschaftliche Verteidigungspolitik muss der Schlussstein der Architektur Europas sein".

Ob es dann nach einer derartigen Schlusssteinsetzung auch eine Volksabstimmung über die Abschaffung der Neutralität geben sollte, ist für Van der Bellen klar. "Natürlich, so ist das, wenn sich die EU zu einem derartigen demokratischen Friedensprojekt entwickelt". Dann wäre die Neutralität, "wie sie seinerzeit konzipiert war, überflüssig geworden". Und was wäre, sollten alle vier Parteien später für eine Abschaffung der Neutralität eintreten und die Volksabstimmung ergäbe eine Mehrheit für die Beibehaltung? - Van der Bellen: "Dann wird man das zur Kenntnis nehmen müssen. Dann haben die Politiker ihre Argumente nicht plausibel genug vortragen können". Jedenfalls wäre "Voggenhuber der erste, der dann sagt, der Souverän hat entschieden".

Auf den Zeithorizont angesprochen - Van der Bellen hatte vor einigen Tagen erklärt, die Beistandspflicht werde erst in den nächsten 20 Jahren kommen - sagte der Grüne Bundessprecher, er sei "kein Prophet. Ich würde mich wundern, wenn es schon in fünf Jahren so weit ist".

Bei den Grünen hatte es zuletzt divergierende Aussagen zu Beistandspflicht und Neutralität gegeben. So hatte die stellvertretende Bundessprecherin Eva Glawischnig gemeint, sie lehne eine Beistandspflicht ab, weil der italienische Vorschlag völlig unzureichend sei. Die Neutralität sei ein wichtiges Instrument zur Mitbestimmung in der EU. Dagegen hatte Pilz gemeint, er sei für die Beistandspflicht im Rahmen der EU-Verteidigungspolitik. Die Neutralität müsste modifiziert werden, was aber kein Problem sei. Voggenhuber bezeichnete die Beistandspflicht nach italienischem Muster wiederum ebenso wie Glawischnig als völlig unzureichend. Er sage zwar Ja zur Beteiligung Österreichs an einer gemeinsamen Verteidigungspolitik, aber erst wenn sich die EU in eine demokratische Gemeinschaft, von der NATO gelöst und an die UNO gebunden entwickelt habe. Dann sollte über die Abschaffung der Neutralität abgestimmt werden.

(APA)