G'schlecktes Flüchtlingselend. Es ist Zeit, sich um Leute zu kümmern, die ihre Heimat verlassen mussten. Die einen Stall suchen, wo Ochsen-schlepp à la Esel-böck in der Futterkrippe schmurgelt. Es ist Advent (Latein), Ankunft (Deutsch), jetzt sollte sich jeder um angekommene Flüchtlinge kümmern. Zum Beispiel um mich. Ich bin Sprachflüchtling. Viel kümmern muss man sich nicht, Sprachflüchtlingen geht es gut. In der Flüchtlings-Szene gelten sie als Big Shots - ohne große Formalitäten überall anerkannt. Kaum kommt man an eine Grenze und meint: Ich halte den meinigen Dialekt nicht mehr aus - schon öffnet sich der Grenzbalken, und man bekommt eine Sieben-Zimmer-Wohnung zugewiesen. Kommt man hingegen als politischer Flüchtling zur Grenze und sagt: Ich halte den meinigen Diktator nicht mehr aus, überall diese Blutbäder, ich fürchte, ich komm als Nächster dran, rufen die Beamten: Machen Sie doch die Augen zu, Sie politischer Flüchtling, wenn Sie kein Blut sehen können. Zum Sprachflüchtling sagen sie das nie. Weil man Ohren im Gegensatz zu Augen nicht zuklappen kann. Zuhalten dämpft die Qual ja auch nicht. Der Sound trifft immer wie Amboss auf Hammer, oder wie das der Interiohr-Designer so nennt.

Ich hab Westdeutsch nicht mehr ertragen. Viele Wiener haben Ohnmacht und Unmut, die ich bei westdeutschem Dialekt empfinde, nachvollziehen können. Vor zehn Jahren begann meine Integration mit obligatem Sprachunterricht: In Kagran übte ich Intonationsvarianten von hearst, am Würstelstand das Bestellen von 16er-Blech und im Kaffeehaus no-na-nett-sein. Leiwand war's.

Doch mittlerweile fühle ich mich wie der Wirtschaftsflüchtling, der wegen irrwitziger Cabernet-Preise aus dem Country Club von Pacific Palisades geflohen ist, nur um nun angesichts der Sauvignon-Preise die Flucht aus Hietzinger Wirtschaften anzutreten.

Ich bin der Letzte, der strawanzt, alle anderen gehen spazieren. Sogar Dr. P., meine sprachliche Adoptivmutter, verwendet das Wort anbaggern. Daraufhin zog ich nach Favoriten, wo die Nachbarin meinte: Supi-geil!

Das Kabel-Fernsehen, heißt es, ist schuld. Aber auch der ORF wirtschaftsflüchtet in WDR-Produktionen. Deshalb pudern meine Freunde nicht mehr mit mir, sondern vögeln mit anderen, und was einmal zum Speib'n war, ist nur noch zum Kotzen.

Was hält uns am Leben? Unterschiede. Nur zwei Geschichten sind interessant: Entweder macht einer eine Reise, oder es kommt eine Fremde in die Stadt. Was, wenn es nichts Fremdes mehr gibt? Wohin reisen? Wo ankommen? Jetzt, im Advent? Kündigen Sie bitte sofort den Fernseher und spenden Sie die Gebühr einem austrocknenden Wirtschaftsflüchtling, damit er beim Zweigelt Asyl findet. Ich nenne Ihnen Adressen. Ihre Cosima Reif, Zufallssexkolumnistin (DerStandard/rondo/12/12/03)