In Frankreich wogt die Debatte seit Wochen: Sollen Mädchen an den Schulen ein Kopftuch tragen dürfen? Jetzt handelt die Regierung erstmals mit einem Gesetz, das das Tragen solcher Tücher an öffentlichen Schulen verbietet - ein Zeichen, dass "der Laizismus nicht verhandelbar ist", wie Präsident Chirac meint. Der Staat hat nicht nur das Recht, sondern auch die Aufgabe, solche gesellschaftspolitischen Fragen zu regeln. Die persönliche Freiheit bleibt insofern gewahrt, als es viele private (katholische, jüdische, islamische) Schulen gibt, in denen religiöse Symbole zugelassen sind.

Und doch bleibt ein Unbehagen. Denn ein solches Verbot regelt nicht das Grundproblem, das der Kopftuchstreit nur verschleiert: die Integration Millionen muslimischer MaghrebinerInnen. Das Thema ist weit gehend tabu, weil explosiv. Sozial explosiv. Denn der häufig ausgeübte Zwang zum Kopftuchtragen ist nur eine Form der Unterdrückung der jungen "beurettes", der Immigrantentöchter nordafrikanischer Herkunft.

Das Thema ist auch politisch explosiv, weil im Hintergrund stets der Rechtsextremist Le Pen lauert, der solche Themen nur zu gern für sich ausschlachtet. Und explosiv ist die Frage auch, weil die fünf Millionen Muslime das ganze Modell der Republik infrage stellen. Das sakrosankte Gleichheitsprinzip weiß heute oft keine Antwort mehr auf die Herausforderungen des Islam - und bietet auch oft keine Handhabe gegen radikale Islamisten. Der Kopfschleier macht die republikanische Ohnmacht und die schlechte AusländerInnen-Integration augenfällig. Also beschränken sich die PolitikerInnen auf Verbote, das heißt pure Symptombekämpfung. Nötig wären tief gehende, teure Struktur- und Fördermaßnahmen, um die Einwanderergettos aufzubrechen. Dafür fehlt aber offenbar das Geld und der politische Wille. Also dauert die Malaise an, und Le Pen - letztlich auch nur ein Symptom - wird bei den nächsten Wahlen erneut absahnen. (DER STANDARD, Printausgabe 12.12.2003)