Standard: Wie sehen Sie die Drohungen der EU- Gründerstaaten, bei Scheitern des Verfassungsgipfels ein Kerneuropa anzupeilen? Kohout: Wir sehen das zum Teil als Verhandlungstaktik. Aber es ist auch Substanz dahinter, eine wirkliche Absicht. Aber es ist gerade jetzt kurz vor der Erweiterung problematisch, dass man sagt, eine EU der 25 ist nicht funktionsfähig, also müssen wir weitergehen. Das belastet den Erweiterungsprozess. Es ist nicht leicht, das der Öffentlichkeit zu erklären.

Standard: Wie sähe ein Kerneuropa aus?
Kohout: Wenn die Regierungskonferenz scheitert, ist es klar, dass es eine politische Bewegung einiger Länder in diese Richtung geben wird. Das wird natürlich noch Zeit brauchen. Es ist aber nicht so leicht, sich vorzustellen, welche Themen diese Avantgardegruppe angehen könnte. Es gibt Schengen, es gibt den Euro und nun gibt es auch die engere Zusammenarbeit bei der Verteidigung.

Standard : Wie würde Tschechien reagieren? Kohout: Wenn sich eine Avantgarde bilden sollte, werden wir unser Bestes tun, um uns anzuschließen. Es ist im historischen Interesse der Staaten in Mitteleuropa, nicht isoliert zu sein. Und es ist im Interesse der mittelgroßen Länder, die Betonung nicht auf die Rolle der Nationalstaaten zu legen, sondern auf die Stärkung der EU-Institutionen. (jwo, DER STANDARD, Printausgabe 13./14.12.2003)