Brüssel - Die Debatten am EU-Gipfel in Brüssel entzünden sich an der EU-Verfassung - doch bereits davor wurden am Freitag in Brüssel eine Reihe von Beschlüssen gefasst. Sie reichen von der neuen EU-Verteidigungspolitik bis zu einem Milliardenprojekt für mehr Wachstum.

Wegekosten: Die geplante neue EU-Wegekostenrichtlinie (Eurovignette) soll von den Verkehrsministern bis März 2004 beschlossen werden. Dies hatte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) "nachhaltig begrüßt".

Erweiterung: Der Europäische Rat erklärt den EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens im Jänner 2007 zum Ziel der Union - "sofern sie dazu bereit sind". Bisher hatten die EU-STaaten das Jahr 2007 nur ohne Monatsangabe als Zieltermin genannt. Die Verhandlungen sollten noch 2004 abgeschlossen werden, 2005 solle der Beitrittsvertrag unterzeichnet werden. Für beide Staaten sei es aber unerlässlich, ihre Verwaltungen und REchtssysteme in Ordnung zu bringen.

Grenzen: Eine europäische Grenzschutz-Agentur soll Anfang 2005 ihre Arbeit aufnehmen. Die Innenminister der bald 25 Mitgliedstaaten sollen auch die nötigen raschen Entscheidungen für eine europäische Asylpolitik treffen. Die Kommission wird aufgefordert, Anfang 2004 einen Vorschlag zur Finanzierung einer gemeinsamen Rückkehrpolitik für Flüchtlinge vorzulegen.

Antisemitismus: "Sehr besorgt" ist der Gipfel über "die Zunahme der Fälle antisemitischer Intoleranz". Das Schlussdokument verurteilt "alle Erscheinungsformen des Antisemitismus, einschließlich Übergriffen auf religiöse Stätten und Personen, auf das Schärfste".

Konjunktur: Mit einer milliardenschweren Wachstumsinitiative unterstützt die EU den einsetzenden Wirtschaftsaufschwung. Damit werden 56 Großprojekte aus den Bereichen Energie, Telekommunikation, Forschung und Verkehr wie etwa das Satelliten-Navigationssystem Galileo angeschoben. Das Investitionsvolumen liegt laut EU-Kommission bis 2010 bei etwa 62 Milliarden Euro.

Verteidigung: Die EU verbessert ihre Fähigkeit zu Kriseneinsätzen mit einer Verstärkung ihrer militärischen Führung. Die NATO soll aber bei Militäreinsätzen Vorrang haben, heißt es in einem Gipfel-Beschluss. Schon im kommenden Jahr soll der bereits bestehende Militärstab der EU in Brüssel durch eine "Planungszelle" aufgestockt werden. Diese wird aber nur in Ausnahmefällen tätig.

Sicherheit: Der Gipfel verabschiedete die Anfang der Woche bereits von den Außenministern gebilligte erste sicherheitspolitische Doktrin. Die EU legt den Schwerpunkt auf Konfliktvorbeugung und zivile Hilfen, schließt aber militärische Einsätze nicht aus.

China: Auf Antrag von Frankreich sollen die EU-Außenminister ein Ende des EU-Waffenembargos gegen China prüfen. Frankreich stellte sich damit hinter eine Forderung des deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder, der bei seinem China-Besuch eine Aufhebung des Embargos gefordert hatte.

USA/Kanada/Irak: Die EU sieht trotz politischer und wirtschaftlicher Konflikte mit den USA in den transatlantischen Beziehungen einen Garanten für Wohlstand und Frieden. "Die transatlantischen Beziehungen sind unersetzlich", heißt es in einer vom Gipfel verabschiedeten Erklärung. Der jüngste Streit um die Vergabe milliardenschwerer US-Aufträge zum Wiederaufbau des Irak spielten keine Rolle beim Gipfel.

Zypern vereint: Zypern solle am 1. Mai 2004 vorzugsweise wiedervereint der Union beitreten, hoffen die EU-Staats- und Regierungschefs in ihrer Gipfelerklärung. Sie fordern die türkei und die türkisch-zypriotische Führung auf, mit dem UNO-Generalsekretär zu kooperieren. Ankara schreiben die Europäer ausdrücklich ins Stammbuch, dass eine Lösung des Zypernproblems die Bestrebungen der Türkei in Richtung einer EU-Mitgliedschaft stark befördern würde. Dem türkischen Nordzypern verspricht die EU Fördergelder, falls die Wiedervereinigung kommt.

Sitz der Agenturen : Die Staats- und Regierungschefs konnten sich auf den Sitz von insgesamt zehn neuen EU-Agenturen einigen: Die Lebensmittelagentur geht nach Parma, die Chemikalienagentur nach Helsinki, die Polizeiakademie nach London, das Seuchenamt nach Schweden. Für Flugsicherheit wird demnach die Zentrale in Köln sein, für maritime Sicherheit in Lissabon und für Eisenbahnsicherheit im französischen Lille. Eurojust wird nach Den Haag übersiedeln, der Kampf gegen Computerkriminalität wird von Griechenland aus geleitet. Für Fischereifragen wird die Zentrale in Spanien sein. Für Flugsicherheit wird demnach die Zentrale in Köln sein, für maritime Sicherheit in Lissabon und für Eisenbahnsicherheit im französischen Lille. Eurojust wird nach Den Haag übersiedeln, der Kampf gegen Computerkriminalität wird von Griechenland aus geleitet. Für Fischereifragen wird die Zentrale in Spanien sein. Österreich, das sich um die Sitze für die Chemikalienagentur, die Polizeiakademie und das Seuchenamt beworben hatte, erhielt keinen Agentursitz - die in Wien ansässige Europäische Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) wurde jedoch zur Agentur aufgewertet. (pra, jwo, DER STANDARD, Printausgabe 13./14.12.2003/red/APA)