Foto: DER STANDARD
Es liegt in der Natur des Herrschenden, nicht wahrhaben zu wollen, wer wirklich steuert. Und der, der den Herrscher beherrscht, tut gut daran, seine Macht diskret auszuüben. Robert Böck ist so ein stiller Regent: "Der Gast", erklärt Robert Böck deshalb gerne, "ist immer König." Doch dann kommt der Nachsatz: "Aber der Chef bin ich." Und dass er in Wirklichkeit gar nicht Chef, sondern "nur" Angestellter ist, weiß der 62-Jährige, ist da kein Widerspruch.

Robert Böck ist der "Herr Robert" - und gehört zu jenen Menschen, die trotz eines im öffentlichen Leben nicht vorhandenen Nachnamens Respekt und Autorität genießen: Anderswo in der Welt mögen das Adelige sein - in Wien ist das der Oberkellner.

"Herr Robert" ist nicht irgendein Ober - er ist eine österreichische Instanz: 28 Jahre lang war er das Gesicht des Café Landtmann. Am 23. 12. geht Herr Robert in Pension.

Eine Ära geht zu Ende

Mit ihm geht eine Ära zu Ende. Schließlich war der gebürtige Burgenländer ebenso wenig einfach Oberkellner, wie das Landtmann einfach ein Kaffeehaus ist: Wer hier serviert, dirigiert und regiert, grüßt, kennt und bedient alles, was in Österreich Rang und Namen hat. Schließlich ist das Landtmann eine Drehscheibe, an der Politiker, Wirtschaftsbosse, Künstler und Medienmenschen einander treffen: "Ein Kellner", sagt Herr Robert, "wird hier zum vielfachen Geheimnisträger."

Vielleicht, so der leidenschaftliche Radfahrer und Schwimmer ("in diesem Beruf ist Kondition wichtig"), werde er die Pension ja nützen, um ein Buch zu schreiben. Dass das als Rache am Gast gemeint sein könnte, ist unwahrscheinlich: Kellner, sagt Herr Robert, sei immer sein Traumberuf gewesen. Schon als Bub habe er begeistert beim Wirten seiner Heimatgemeinde (Parndorf) ausgeholfen. Und schon damals, nicht erst, als er neben dem Burgtheater sesshaft wurde, habe er erkannt: "Ein guter Kellner ist mit Herz und Seele Kellner."

"Das Landtmann ist mein Leben."

Sonst, so der Vater eines erwachsenen Sohnes, sei es unmöglich, jene Qualitäten zu garantieren (und zu halten), die das Fundament der Wiener Kaffeehauskultur sind: Dem Gast mit vollendeter Freundlichkeit das Gefühl zu geben, zu Hause zu sein - aber doch die Zügel fest in der Hand zu halten. "Vielleicht werde ich ja Kurse und Seminare geben", will Herr Robert diese Tradition weitergeben.

Im Landtmann selbst ist das gar nicht nötig: Seine Nachfolger als Oberkellner, Herr Erich und Herr Ludwig, hat er teils schon als Piccolos ausgebildet. Und hin und wieder wird er ohnehin selbst vorbeischauen. Obwohl ihm das Herz blutet: "Das Landtmann ist mein Leben." Als Gast, weiß Herr Robert, wird er sich hier, in "seinem" Landtmann, immer wie ein König fühlen - aber im Gegensatz zu allen anderen Gästen wird er wissen, wer wirklich regiert. (Thomas Rottenberg/DER STANDARD; Printausgabe, 22.12.2003)