Achilles (Brad Pitt) im Gefecht, auf den Spuren des Gladiators: Erste Bilder aus Wolfgang Petersens Monumentalfilm "Troy", einem Epos über den trojanischen Krieg.

Foto: Warner
Hollywood hat den Monumentalfilm wiederentdeckt, der immer schon von Zeiten des Übertritts in die Zivilisation erzählt.


Wien – Vom Rumpf eines auf dem Meer eilenden Schiffes aus vergößert sich kreisförmig der Bildausschnitt: Bald ist die Kriegsgaleere ganz zu sehen, dann werden daraus drei, gleich ein Dutzend, schließlich sind es hunderte, bis der ganze Ozean bedeckt ist von der unermeßlichen Zahl einer angreifenden Flotte.

Die Griechen kommen, und sie haben Troja im Visier. Der Quicktime-Trailer im Internet liefert erste Impressionen einer digital vervielfältigten Armada – ein Bild, das vor allem eines will: überwältigen durch die Perfektion, mit der ein mythenumwobender Stoff hier wieder einmal gegenständlich wird.

Troy, Hollywoods jüngster Monumentalfilm, der im kommenden Mai weltweit in den Kinos starten wird, hält alles für ein überbordendes Breitwandspektakel bereit: Brad Pitt als beschürzter Achilles führt eine Riege an Stars an (darunter Orlando Bloom und die Deutsche Diane Kruger als Paris und Helena sowie britische Charakterdarsteller wie Julie Christie, Peter O'Toole oder Brian Cox), während Wolfgang Petersen (Das Boot, The Perfect Storm) das Spektakel, das mit Romanzen, Massenschlachtszenen und einem heimtückischen Pferd auftrumpfen wird, inszeniert.

Troy ist bei weitem nicht das einzige Historienepos, das auf uns zukommt – der Erfolg von Gladiator, zu einem gewissen Teil sicher auch der mittelalterliche Kriegsbombast von The Lord of the Rings hat das ironisch titulierte Genre des Sandalenfilms für Hollywood wieder attraktiv gemacht: So stehen gleich zwei Verfilmungen von Leben und Taten Alexander des Großen an, einmal in der Regie von Oliver Stone mit Colin Farrell im Titelpart, einmal, wenn auch deutlich verzögert, von Baz Luhrmann, wo Leonardo Di Caprio den "König Asiens" mimen soll und Nicole Kidman seine Mutter Olympia.

Und auch David Franzoni, Drehbuchautor von Gladiator, reicht Neues nach: King Arthur (mit Newcomer Clive Owen) befindet sich bereits im Status der Postproduktion und soll im Sommer starten. Produziert wird das Ritterepos, das eher auf historischen Hintergründen als auf dem Sagengehalt aufbaut, von Jerry Bruckheimer (Pearl Harbor) – ein sicheres Indiz dafür, dass man es mit einer neuen Welle zu tun hat. Ein zweites Projekt Franzonis widmet sich Hannibal, und es verspricht Trashqualitäten, denn Vin Diesel (XXX) begeistert sich für die Rolle des Herausforderers Roms.

Monumentaler Krieg

Warum Hollywood gerade zu Zeiten des Kriegs gegen den Terror seine Begeisterung fürs Monumentale (wieder)entdeckt, scheint vor diesem Hintergrund die entscheidende Frage. Der Trend zu dezidierten Kriegsfilmen, von denen freilich nur Black Hawk Dawn, Three Kings und Behind Enemy Lines jüngere Kriegsschauplätze und deren Problematiken verhandelten, scheint jedenfalls vorerst zuende und einer Zuflucht in die Antike zu weichen.

Das mag einerseits damit zusammenhängen, dass sich beflegelnde Trojaner und Griechen kaum Anstoß an der offiziellen Politik erregen dürften. Gänzlich unpolitisch sollten sie dennoch nicht werden: Schon in den 50er und 60er-Jahren widerspiegelten die antiken Welten der Historienschinken die US-Mainstream-Kultur.

Zwischen dem imperialen Rom und nicht weit zurückliegenden faschistischen Staatsformen konnten Analogien gezogen werden, der Dekadenz eines Imperators wie Nero in Quo Vadis stand der individualistische, protochristliche Held in Spartacus gegenüber. Zugleich kündeten Monumentalfilme von Zeitenwenden – von Kulturen, die dem Untergang geweiht waren, und solchen, die gerade erst entstanden, ein Programm, das der Philosoph Gilles Deleuze einmal so formulierte: "immer wieder Amerika entdecken…"

Die Bestimmtheit, dass ein spezifischer geopolitischer Raum, der von Makedonien bis nach Pakistan reicht, besonders anfällig für Unruhen ist, werden wohl alle neuen Historienfilme teilen, ohne sich allzu lang mit den Ursachen dieser Misere zu beschäftigen. Die Zeiten stehen darin auf Veränderung, Imperialismus und Tyrannei zum Disput, und die Völker sind auf Wanderschaft.

Wenn sich nun ein moralischer "Linker" wie Oliver Stone mit Alexander dem Großen befasst – und das bereits seit zehn Jahren –, sind Anspielungen auf die Gegenwart garantiert: Der Eroberung Asiens durch den König folgte ja schließlich auch dessen Plan, unterschiedliche Ethnien in einem Vielvölkerstaat zusammenzuführen, Griechen und Perser in einem Heer kämpfen zu lassen, ein Projekt, das immer wieder zu lokalen Aufständen führte.

Umgekehrt zeigte schon Ridley Scotts Gladiator, dass nicht unbedingt die epische Rahmenhandlung entscheidend ist: In der Gladiatorenarena, mit den dort wütenden Schlachten, wurde ganz im Sinne der Spektakelkultur die entscheidende Politik gemacht – und die alte Opposition von gut und böse zunehmend verwischt.

Es bleibt abzuwarten, ob Petersen in Troy mit ähnlichen Körperbildern dem Genre neuen Schwung verleihen wird – Agamemnons Gier etwa im puren Affekt auflöst und weniger als psychologischen Konflikt beschreibt. Was die oft belächelten nagelneuen Kostüme der Technicolor-Filme der 50er-Jahre waren, sind jedenfalls heute die um vieles fühlbareren Körper: Sie sollen uns die Epoche näher bringen, sie vergegenwärtigen helfen, auch wenn manche davon nur an der Ferse verwundbar sind.

Offen bleibt vorerst, mit welchen Strategien das Kino die neuen alten Barbaren bezähmen wird, mit welcher List Tyrannen vertrieben und mithilfe welcher Führerfiguren neue Republiken gegründet werden. Auch wenn diese Geschichten schon geschrieben sind: Die Brot und Spiele Hollywoods bleiben den Bedürfnissen der Gegenwart verpflichtet. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.12.2003)