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Johannes Voggenhuber, Europa-Sprecher der Grünen, über SP-Präsident-schafts- kandidat Heinz Fischer: "Er ist ein Feinmechaniker der Macht und hat ein recht buchhalterisches Verhältnis zur Wirklichkeit".

Foto: REUTERS/HEINZ-PETER BADER
STANDARD: Mit seiner Neujahrsrede hat Bundespräsident Thomas Klestil die Neutralitätsdebatte neu entfacht. Die Opposition sagt: zum falschen Zeitpunkt. Wann ist der richtige?

Voggenhuber: Dann, wenn es eine Alternative gibt, zu der man wirklich eine Entscheidung treffen kann. Aber nicht jetzt, wo gerade die Verhandlungen um eine europäische Verfassung gescheitert sind, welche die Voraussetzung für eine Verteidigungsunion gewesen wäre. Langsam glaube ich, nur noch Siegmund Freud kann uns helfen. Es wird nur mehr eingeteilt in jene, die die Neutralität verbrennen wollen, und in Heuchler. Niemand fragt die Regierung, was sie zu tun gedenkt, um die Verfassung doch noch zum Erfolg zu bringen. Die Bundesregierung will jetzt nach Kerneuropa. Dabei hat sie sich mit allen Gründungsstaaten angelegt - vom Transit bis zur Verfassung.

STANDARD: Wie ist die Position der Grünen?

Voggenhuber: Die Sache mit der Neutralität ist doch gar nicht so schwierig. Wir nehmen an der europäischen Integration teil, die hoffentlich eines Tages auch zu einer politischen und einer Verteidigungsunion wird, in der sich die Neutralität erübrigt. Dafür gibt es Voraussetzungen: eine gemeinsame Außenpolitik, die EU-Verfassung und die Emanzipation von den USA.

STANDARD: So eindeutig ist die grüne Position nicht, wenn etwa Sicherheitssprecher Peter Pilz meint: Komme es zu einem Bündnisfall, solle Österreich die Beistandspflicht einhalten.

Voggenhuber:Ich bin mit Pilz weitestgehend einer Meinung. Er macht nur einen Fehler. Er will die Beistandspflicht sofort und meint darin einen Ausweg aus der Nato-Mitgliedschaft zu finden. Das Gegenteil ist der Fall. Würden wir in einem Kerneuropa die Neutralität aufgeben, droht Österreich von der Nato geschluckt zu werden. Im Kerneuropa gibt es nur Nato-Optionen. Die Neutralität ist Österreichs Faustpfand für eine autonome Sicherheitspolitik.

STANDARD: Sie selbst haben ja schon von einer bestehenden "stillschweigenden Beistandspflicht" gesprochen. Warum nicht offen dafür eintreten? Wäre das nicht ehrlicher?

Voggenhuber: Es ist doch unehrlicher, die Aufgabe der Neutralität zugunsten von etwas zu fordern, das noch gar nicht existiert, oder gar eine Nato-Mitgliedschaft zu meinen und es nicht zu sagen.

STANDARD: Wird das Thema bei der Präsidentschaftswahl eine entscheidende Rolle spielen?

Voggenhuber: Natürlich spielt es eine Rolle. Ich habe nicht verstanden, warum der Bundespräsident das gesagt hat, die Verfassung und andere Voraussetzungen aber mit keinem Wort gestreift hat. Ich hatte das Gefühl, dass dies eine geheimnisvolle taktische Funktion im Präsidentenwahlkampf haben soll. Es geht wohl darum, einem Kandidaten Vorteile zu verschaffen.

STANDARD:Ist SP-Kandidat Heinz Fischer der richtige Mann für das höchste Amt?

Voggenhuber: Ich bin mit der Formel vom ,geeigneten Kandidaten' einverstanden. Es gibt Punkte, die kritikwürdig sind. Fischer würde ein Präsident der Politik hinter verschlossenen Türen sein - ein Präsident der diskreten Absprachen. Er ist ein Feinmechaniker der Macht und hat ein recht buchhalterisches Verhältnis zur Wirklichkeit.

STANDARD: Sollen die Grünen ihn unterstützen oder doch noch einen eigene Kandidaten suchen?

Voggenhuber: Wichtiger ist die Frage, ob das für die Grünen die Auseinandersetzung ist, die man 2004 mit viel Geld und großem Aufwand führen sollte. Und da sage ich: Nein. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 5./6.1.2004)