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Foto: APA/Robert Jaeger
Wien - Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), Karl Korinek, sieht die Erarbeitung einer neuen Verfassung im Österreich-Konvent durch die Wünsche von Einzelgruppen gefährdet. "Ich empfehle allen Gruppierungen Zurückhaltung, denn es geht ums Ganze", sagte er. Derzeit sei es im Konvent "nicht ganz leicht, in Kernfragen auf einen Konsens zu kommen". Ein Anliegen Korineks im Konvent ist, dass der VfGH auch im Bereich der Gerichtsbarkeit tätig werden können soll, insbesondere wenn verfassungsrechtlich bedenkliche Gesetze angewandt wurden.

Ziel ist schlankere Verfassung

Allgemeiner Wunsch sei, die Verfassung schlanker zu machen. "Andererseits verlangt aber jede Gruppe eine neue Verfassungsbestimmung für sich. Wenn der Konvent all diesen Vorstellungen nachgibt, kann man zu keiner schlanken Verfassung kommen", warnte Korinek.

Die Frage, ob die neue Verfassung eine Präambel haben soll, hält er für überschätzt: Aus juristischen Gründen sei eine Präambel nicht notwendig. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der VfGH mit einer Präambel anders judiziert als ohne."

Keine "peinliche Kompromissformeln" in Präambel

Andererseits sei eine Präambel der "normale Standard der Verfassungen dieser Welt". Sollte man auch in Österreich eine ausarbeiten, "muss man aber sehr aufpassen, dass sich die meisten Leute damit identifizieren können. Aber man sollte auch nicht in peinliche Kompromissformeln abgleiten."

Im Grundrechtsbereich könnte der Konvent einen breiteren Zugang zum VfGH bringen. In Österreich gibt es keinen Rechtszug von den Gerichten zum VfGH. Den direkten Zugang zum VfGH - wie in vielen anderen europäischen Ländern üblich - wird es in Österreich wohl auch weiterhin nicht geben. Aber ein "Subsidiärantrag" wäre, so Korinek, ein möglicher Kompromiss.

Konvent erwägt "Subsidiärantrag" zu OGH- und Zivilgerichtsbarkeits-Urteilen beim VfGH

Mit einem solchen Antrag könnte sich eine Prozesspartei, die meint, dass etwa mit einem Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) verfassungsrechtlich geschützte Rechte verletzt wurden, an den VfGH wenden, wenn der OGH die Verfassungsfrage nicht selbst dem VfGH vorlegt. Der VfGH würde nicht in der Sache entscheiden, sondern allenfalls die Wiederaufnahme des gerichtlichen Verfahrens anordnen.

Für Korinek wäre das "wirklich wünschenswert". Schließlich sei auch im Bericht des EU-Weisenrates als Mangel des österreichischen Rechtssystems angeführt worden, dass der VfGH nicht angerufen werden kann, wenn ein Strafgericht jemanden wegen der Beleidigung eines Politikers verurteilt hat.

"Nicht alle scheinen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in ausreichender Weise zu berücksichtigen", haben die drei EU-Weisen angemerkt. "Wo der VfGH tätig war, gibt es höchst selten eine Verurteilung Österreichs durch Straßburg. Schließlich nimmt der VfGH die Menschenrechtskonvention als Maßstab - und misst damit am selben Maßstab wie Straßburg", argumentierte Korinek für den "Subsidiärantrag". Er ist überzeugt, dass dieser dazu führen würde, "dass die Gerichte selber öfter Anträge an den VfGH stellen". (APA)