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Auch der Umgang mit dem Samuraischwert will gelernt sein: Tom Cruise muss sich als "The Last Samurai" wacker gegen angreifende Ninjas wehren können.

Foto: REUTERS/David James/Warner Bros./Handout
... und träumt vom Krieg als Kunstform.


Wien - Die Kriegskunst ist zum patriotischen Schaubudenzauber verkommen. Vor versammeltem Volk werden die Schlachten des amerikanischen Bürgerkriegs mit Holzfiguren nachgestellt, und der verdiente Veteran Nathan Algren (Tom Cruise) ist ein Alkoholiker, der ausgepfiffen wird, um daraufhin trotzig auf Orgelpfeifen zu schießen.

Dass es bei diesem ernüchternden Bild des Soldaten mitnichten bleiben wird, macht im historischen Kriegsfilm The Last Samurai zu Beginn allerdings bereits die Erzählstimme klar: Es wird um mutige Männer gehen, heißt es da, die um ihr Land kämpfen und um ein vergessenes Wort - die Ehre. Was der eigenen Nation bereits fehlt, gilt es hier also in der Fremde, bei Japans archaischen Kriegern, den Samurais, wieder zu erlernen.

Algren erhält den Auftrag, die Armee des Kaisers mit Technologie gegen die List der Rebellen zu rüsten. Trotz kultureller Differenzen bieten sich Analogien an: Denn der traumatisierte Held hat im Dienste General Custers bereits in einem ähnlichen Krieg gekämpft. Damals waren die Samurais Indianer, die einfach niedergemetzelt wurden. Um das zu vergessen, muss Algren noch heute Sake in rauen Mengen schlucken.

Regisseur Edward Zwick hat sich schon in früheren Arbeiten (Glory, The Siege) mit schematischen Gegenüberstellungen begnügt und mit Bildern operiert, die eher einseitig Nachdruck erzeugten. Wenn er seinen Star Cruise, auf dessen eingeschränkte darstellerische Fähigkeiten er konsequent vertraut, in die erste Schlacht schickt, fällt dieser denn auch erst den Rebellen in die Hände, nachdem er seinen artistischen Überlebenswillen präsentiert hat.

Einmal in das Bergdomizil der Samurais verschleppt, wandelt sich mit Algren die Perspektive von The Last Samurai: "Know your enemy" lautet nunmehr die Devise. Im edlen Anführer Katsumoto (Ken Watanabe) entdeckt der Amerikaner das faszinierende Andere, wie im Western fügt sich der an der Zivilisation Gescheiterte in die autarke Kultur ein, die sich Zwick klischeehaft mit Buddhatempel, Kirschblüten und solidem Handwerkertum ausmalt.

Spirituelle Entgiftung

Es gehört zu den (unfreiwillig) komischsten Momenten dieses Films, wie Algren sukzessive zum Samurai mutiert. Von der arroganten Ablehnung gelangt er zum Staunen, dann zur Mimesis und über mehrere Anläufe schließlich zur inneren Leere - ein spirituelles Entgiftungsprogramm, das darin gipfelt, dass die alte Uniform mit dem Panzer des getöteten Feindes getauscht und dessen Witwe zur eigenen Geliebten gemacht wird.

Den Krieg wird er derart nicht los, aber er stattet ihn wieder mit Idealen aus, als er mit den Samurais gegen die "eigenen" Truppen in die Schlachtfelder zieht. Eine der seltsamen Verschiebungen von The Last Samurai bleibt dabei, dass er auf der Ebene der höheren Politik der US-Präsenz in Japan allein wirtschaftliche Interessen unterschiebt, während der übergelaufene Veteran für die Bewahrung kultureller Eigenständigkeit eintritt.

Aber letztlich kämpft Algren immer auch gegen das eigene Trauma an. In der von Zwick breit ausgespielten finalen Schlacht lehrt er die Samurais ein paar taktische Manöver, die deren Untergang jedoch nicht aufzuhalten vermögen. Mit wehmütigem Pathos wird inszeniert, wie die edlen Krieger im Kugelfeuer der MP-Salven, der neuesten Technologie, zugrunde gehen.

Ob gefallen oder siegreich ist dennoch einerlei: Denn The Last Samurai hat den Mythos eines reinen, unschuldigen Krieges im Sinn, in dem es, gemäß Katsumoto, nur gute Tode gibt - eben solche, bei denen die Ehre des Soldaten gewahrt bleibt. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.1.2004)