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Statt "aus einer Mücke einen Elefanten zu machen", sollten MoslemInnen in Frankreich eigene Schulen errichten, so Sheikh Mohammed Sayed Tantawi
Foto: APA/epa/Mohammed Al-Sehiti

Vor ein paar Wochen staunten viele ZuschauerInnen des panarabischen Senders Al-Jazeera, als eine der prominenten Journalistinnen auf einmal in ein Kopftuch gehüllt die Nachrichten präsentierte. Das sei ein persönlicher Entscheid, der werde respektiert, ließ die Redaktionsleitung in Qatar verlauten. So argumentieren aufgeschlossene MuslimInnen gerne, wenn die Frage auf das kontroverse Stück Tuch kommt.

Nachdem die französische Regierung einen Gesetzesentwurf vorgestellt hat, der in den öffentlichen Schulen religiöse Symbole wie das Kopftuch, die jüdische Kippa oder große Kreuze verbietet, tobt in den arabischen und muslimischen Ländern aber eine hitzige Kopftuchdebatte, die nicht immer von Toleranz geprägt ist und oft den Anschein macht, als würde der Hijab gar in den eigenen Ländern verboten.

Öl ins Feuer gegossen hat ausgerechnet der Scheich der obersten sunnitischen Lehranstalt, der Al-Azhar Universität in Kairo. Bei einem Besuch des französischen Innenministers Nicolas Sarkozy in der Nilstadt erteilte Mohammed Sayed Tantawi Paris praktisch den Segen für die Entscheidung der Pariser Regierung. Das Tragen eines Kopftuches sei zwar eine göttliche Pflicht für jede Muslimin, aber die französische Regierung hätte das Recht, das Kopftuch zu verbieten, und dann müssten sich die Betroffenen fügen, erklärte der Scheich.

Welle der Empörung

Sein Spruch löste eine Welle der Empörung bei anderen islamischen Geistlichen und PublizistInnen aus. Ihr Hauptargument, das Kopftuch sei eben nicht wie die Kippa oder das christliche Kreuz nur ein religiöses Symbol, sondern eine im Koran und seinen juristischen Auslegungen festgeschriebene Pflicht. Deshalb sei das keine interne Angelegenheit Frankreichs, wie dies auch der ägyptische Staatspräsident Hosni Mubarak betonte, sondern eine grundsätzliche Frage des Islams.

Diese Geistlichen argumentieren mit Menschenrechten. Das Tragen eines Kopftuches sei Teil der Religionsfreiheit, die auch in säkularen Ländern wie Frankreich garantiert sei, erklärten auch VertreterInnen von Menschenrechtsorganisationen. Politische KommentatorInnen drückten zudem ihre Überzeugung aus, der französische Bann sei in der Tat Teil einer immer stärker werdenden antiislamischen Strömung in Europa und habe innenpolitische Gründe.

Mit Demonstrationen in verschiedenen arabischen Städten und Unterschriften unter Petitionen bekundeten viele Musliminnen ihre Solidarität mit den französischen Glaubensschwestern. Aber es gab auch kritische Stimmen. Auf einer der Internetseiten warf eine Diskussionsteilnehmerin den MuslimInnen eine doppelbödige Argumentation vor. So ist zum Beispiel in Saudi-Arabien Christen und Juden verboten, ihren Glauben auszuüben. Dort und im Iran werden auch Ausländerinnen gezwungen, Kopftücher und schwarze Abayyas zu tragen.

Karrierehindernis

In Ägypten beschäftigt das Staatsfernsehen keine verschleierten Frauen als Sprecherinnen, ebenso wie einige Luxushotels keine Kopftücher bei Frauen sehen wollen. Viele verschleierte Frauen beklagen sich, mit Kopftuch sei keine Karriere zu machen. Sie leiden nicht unter festgeschriebenen Verboten, sondern unter der gängigen Praxis. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 19.1.2004)