Jung sein heißt traurig sein heißt high sein: Am 30. Jänner gibt US-Nachwuchstalent Ryan Adams im Wiener WuK erstmals ein Konzert in Österreich.

Foto: Lost Highway/Universal
Neben genialischen Country-Skizzen beweist der 29-Jährige jetzt auf gleich drei neuen CDs, dass er auch nicht vor Mainstream-Rock und Suizid-Balladen zurückschreckt.


Wien - Das erste Soloalbum aus dem Jahr 2000 ging ebenso unter wie zuvor seine Band Whiskeytown während kläglich verlaufenen Tourneen zwischen Alkohol- und Drogenexzessen, "künstlerischen Differenzen" und falsch genommenen Autobahnausfahrten. Dabei ist der auf Heartbreaker gebotene Countryrock des 1974 geborenen US-Songwriters Ryan Adams mit das Beste, was das Genre in seiner Geschichte zu bieten hat.

Ein soft, sauber und melodisch der Melancholie verpflichtetes Meisterwerk zwischen Memphis Beat (To Be Young (Is To Be Sad, Is To Be High)), Western Swing (My Winding Wheel), in eine Honkytonk-Bar hineinrollenden Güterzügen (Shakedown On 9th Street) und der kindlich-altklugen Talking-Blues-Mitteilsamkeit eines Bob Dylan (Don't Ask For The Water).

Auch die mit Whiskeytown gebotenen, sentimental-trunkenen, rumpelnden Vorstudien auf den Alben Faithless Street oder Pneumonia mit einschlägigen Songs wie Too Drunk To Dream und Drank Like A River belegen, dass hier einer den Mund tatsächlich sehr voll nimmt. Aber schließlich waren auch die Ryan Adams und Whiskeytown durchaus wesensverwandten britisch-irischen Pogues mit deren Trinkerpoet Shane Mac Gowan in ihren jungen Jahren einmal eine Kraft, mit der zu rechnen war.

Ryan versus Bryan

Vor allem die auf Heartbreaker enthaltene, herzergreifende Heimwehballade Oh, My Sweet Carolina, ein Duett mit der großen alten Dame der neueren Countrymusik, Emmylou Harris, machte Adams in der Folge zum Liebkind von so unterschiedlichen Köpfen wie Steve Earle, Keith Richards und Elton John. Letzterer hat übrigens Adams' Song auch fix in sein Liveprogramm integriert.

Das oberflächlich einfache und geradlinige Songwriting von Adams, das souverän die Geschichte der Rolling Stones in deren Exile On Main Street-Phase aufarbeitet, auf den großen Country-Neuerer Gram Parsons ebenso verweist wie auf so unterschiedliche Einflüsse wie die Balladen eines Prince oder die hochgradig emotionale Kunst eines Morrissey und The Smiths, brachte Adams 2001 mit der mainstream-kompatiblen Songsammlung Gold dann erstmals Titelgeschichten in der Musikpresse ein.

Immerhin kann man im Falle Ryan Adams, dessen rührend-knödelnde Gesangsstimme nicht nur an Gram Parsons oder Steve Earle erinnert, sondern mit den Jahren und dem zunehmendem Pathos im Vortrag auch verstärkt an besagten Morrissey und Bono Vox, wunderbar den Unterschied zwischen gutem und bösem Mainstream-Rock festmachen. Zu diesem Zweck bietet sich allein schon der Vergleich mit dem exakt auf den Tag um 15 Jahre älteren kanadischen Peter Maffay an, dem elenden Softrocker Bryan Adams.

Die Musik, das zeigt gerade das Album Rock 'n' Roll, eine von gleich drei aktuell veröffentlichten Arbeiten von Ryan Adams, mag sich zwar zunehmend an das gelackte und etwas mit zart angezerrten Gitarren aufgeraute Opus von Bryan Adams annähern. Allerdings spricht nicht nur der dem Rock-'n'-Roll-Klischee von A bis Z entsprechende, medienwirksame Lebensstil von Ryan dem entgegen.

Wenn man sich die dunklen, düsteren, minimalistischen und oft nur skizzenhaft hingeworfenen Balladen der anderen zwei Veröffentlichungen ansieht, Love Is Hell Part 1, Love Is Hell Part 2 und erschütternde Stücke wie I See Monsters, Halloween, Don't Let Me Go oder My Blue Manhattan: Adams versteht seine Versuche in diese "kommerzielle" Rock-'n'-Roll-Richtung wohl auch wegen seiner jungen Jahre als Stilübungen, die seinen Ruf als genialisches Nachwuchstalent untermauern sollen.

Einen Hinweis darauf liefert nicht nur die aktuelle Single, So Alive. Hier versucht Adams den Spagat zwischen einem mittelprächtigen U-2-Song und einer Smiths-Paraphrase, torkelt aber auch Richtung Gothic Pop und The Cure.

In Note To Self: Don't Die wird nicht nur textlich eindeutig auf Nirvana Bezug genommen. Das Intro von Shallow ist eine platte Kopie des Songbeginns von Cigarettes & Alcohol, einer alten Nummer der proletarischen Britpopper Oasis. Und 1974 könnte ebenso von Bryan Adams stammen. Der Rest von Rock 'n' Roll erweist sich schon allein wegen seiner Songtitel als Fundgrube für gut in die Materie der (jüngeren) Musikgeschichte eingehörte Briefmarkensammler: This Is It, Wish You Were Here, She's Lost Total Control, Boys, The Drugs Not Working.

Live muss man bei Adams, diesem mit seinen stilistischen Schlenkern die Generationen versöhnenden Chamäleon mit dem Gröbsten rechnen. Bei seinen Konzerten 2002 war von Subtilität keine Spur. Der junge, sichtlich unter Strom stehende Mann drehte den Verstärker auf Anschlag - und selbst durch. Teile des Publikums verließen fluchtartig die Säle. Dem Punkrock eine Chance. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.1.2004)