Eines von über 150 Exponaten des Belgiers Panamarenko zur Entkräftung der gemeinen Gravitation: "Magnetische Schuhe".

Foto: Österr. Galerie
Wien – Fliegen wäre super. Nicht aus Pferde-, sondern aus Menschenstärke der Schwerkraft ein Schnippchen schlagen. Und zwar ohne einschlägige, ohnehin nur alles verstellende Ausbildung. Ein Auto, einen Zeppelin, ein Ufo bauen, ganz ohne Einsteinsche Theorien, ganz im Glauben, man könnte mit einem Fallschirm auch abheben anstatt wie behauptet nur schnöde landen.

Denn, sagt Panamarenko, 1940 in Belgien geborener Pionier der dilettantischen Weltraumfahrt, „mein Ziel liegt innerhalb der strengen Grenzen des Traumes“. Und also baut er Maschinen. 1969 schon waren deren erste, in einem Atemzug mit Joseph Beuys genannt, bei der legendären Berner Ausstellung When Attitudes Become Form zu bestaunen. Im Jahr darauf bei Harald Szeemanns kunstbegriffserweiternder Documenta 5.

Beide Ausstellungen sorgten für Panamarenkos Ruf, und infolgedessen dafür, dass einzelne seiner fragil umgesetzten Ideen vom Abheben rasch den Weg in private Sammlungen fanden, im Zustand der Absenz von Publikum aber prompt verschieden. Und so hat Panamarenko das Multiple, die Auflage, für seine kunstfertig ungeschickten Konstruktionen entdeckt und damit deren Überleben gesichert.

Derzeit parken Modelle und Pläne seiner Apparaturen zur endgültigen Entkräftung der Gravitation im Atelier im Augarten, einem Ort, der bestens geeignet ist, Nostalgie und Moderne, Geschichte und Utopie im Traum zu versöhnen. In Vitrinen aus dem 19. Jahrhundert geschützt, repräsentieren einige wenige Modelle dieser – tatsächlich realisierten – Großgeräte die Welt des Antwerpeners, der davon ausgeht, dass es doch möglich sein müsste, mit jenen gegebenen Mitteln gen All aufzubrechen, wie sie die Vögel und Insekten ganz selbstverständlich anwenden: mit Flügeln, mit konventionellen Kreisläufen und mit der Kraft der rechten Proportion.

Panamarenkos Fluggeräte sind also leicht, fragile Umdeutungen vermeintlich konventioneller Lösungen. Er misstraut dem Schub, den moderne Technologie verspricht, und rabiatem Erfindungsgeist, verweigert innovative Tricks, dem Boden zu fliehen.

Er baut Geräte, die mehr wollen, als einfach nur in die Luft steigen. Das wäre banal, dafür würde er, Panamarenko, einfach ein Flugticket kaufen. „Es geht nicht darum, ein funktionierendes Flugzeug zu konstruieren, sondern um die Schaffung eines Ideals. Auch wenn ich niemals damit fliegen werde, bereitet es mir Freude. Für mich liegt sein Erfolg in der Verwirklichung des Traumes, der auf seltsame Weise von seinem Scheitern bestimmt wird. Wissenschaft und Rationalität zerstören den idealen Charakter der Form, und das Objekt wird zu einer simplen Demonstration seiner Funktionsfähigkeit degradiert.“ Und so erscheint Panamarenko der Vorwurf als völlig verrückt, Gerätschaften von naiven Menschen könnten niemals funktionieren, denn: „Es ist ein Wunder, wenn das Objekt funktioniert, wenn nicht, dann ist es noch perfekter.“ Und: „Hauptsache ist jedenfalls – ob schön oder nicht – die Schaffung eines Objekts, von dem ich sagen kann: Es hat sich die Mühe gelohnt, dass ich mich damit beschäftigt habe; ein Objekt, bei dem sich die Frage erübrigt: Ist das nun Kunst oder – nicht?“

Also, niemals über Wunderkammern lustig machen und stets vergegenwärtigen, dass Regression recht avantgardistisch ausfallen kann. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.1.2004)