Bild nicht mehr verfügbar.

Wolfgang Schüssel am Nationalfeiertag des Vorjahres

Foto: APA/Prammer
Wien - Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) will 2005 zum "Jahr der österreichischen Identität machen". Das sagt der ÖVP-Chef in der Freitags-Ausgabe der "Presse". Eckpfeiler dieser Identitätsfindung sollen eine Reihe wichtiger Jubliäen und gleichzeitig der Abschluss des Österreich-Konvents mit der neuen Verfassung werden. Die Jahrestage erinnern vor allem an das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Gründung der Zweiten Republik 1945, den Staatsvertrag 1955 (Schüssel: "im wahrsten Sinn die Befreiung Österreichs zur vollen Souveränität") und den EU-Beitritt 1995.

Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (V) habe die vier Außenminister der Signatarstaaten zu einem Erinnerungsfest eingeladen und von allen vier positive Reaktionen erhalten. Österreich habe aber auch Russland um das Original des Staatsvertrags gebeten, damit dieses in Österreich gezeigt werden kann. Die Museen, der ORF, auch die Bundesländer werden sich an dem Feier-Konzept beteiligen. Aber: "Das wird mehr sein als eine einzige Ausstellung, sondern ein durchs ganze Jahr führender Weg", so Schüssel.

Legende vom Abzug des letzten Soldaten

Der Nationalfeiertag, "der ja der eigentliche Tag des Abzugs des letzten fremden Soldaten ist, wird in einem solchen Sinn begangen werden, dass man noch einmal erlebbar macht, was das eigentlich bedeutet hat", sagte Schüssel. Unter Historikern sei allerdings umstritten, ob der 26. Oktober der letzte Tag des Abzugs gewesen ist.

Bereits in der Volksschule lernen österreichische Taferlklassler jedoch, dass der Nationalfeiertag nichts mit dem Truppenabzug der Alliierten zu tun hat. Was sich offensichtlich der Kenntnis des österreichischen Bundeskanzlers entzieht, ist die Tatsache, dass am Nationalfeiertag dem Beschluss des Neutralitätsgesetzes im Parlament am 26.10.1955 gedacht wird.

Identität

Auf die Frage, worin außer dem Rückblick die Identitätsfindung bestehen soll, antwortete Schüssel: "Identität ist einmal rechtlich gesehen die neue Verfassung, die uns klarerweise von anderen Nationen unterscheidet. Wenn die zustande kommt, wäre das eine ganz wesentliche Zäsur im Sinne einer neuen Identität. Bei der Identität geht es aber auch darum, die Rolle Österreichs zwischen zwei wichtigen Daten zu bedenken, zu hinterfragen, neu zu definieren, neu zu positionieren: Das sind die EU-Erweiterung 2004 und Österreichs EU-Vorsitz 2006. Identität ist schließlich, dass man im Licht der Kulturereignisse des Jahres 1955 (Wiedereröffnung von Burgtheater und Oper) einen besonderen Akzent auf die österreichische Kultur seit 1945 legt."

Den Inhalt der erwünschten Positionierung sieht Schüssel so: "Woher wir kommen, das wissen wir. Es geht darum, dass wir fragen: Wer sind wir heute? Und wohin wollen wir? Dieser Dreischritt muss bewältigt werden." Und wenn Kerneuropa ein Abgehen von der Neutralität einschließt? Die Antwort Schüssels: "Ja, aber meine Haltung ist ein bisschen komplexer." Es wäre falsch, knapp nach der Wiedervereinigung neue Trennlinien aufzurichten. "Kerneuropa mit sechs, neun oder selbst 15 Mitgliedern wäre genau das, eine neue Trennlinie quer durch Europa. Welche EU-Mitgliedsländer würden freiwillig und ernsthaft darauf verzichten, einem solchen Kern der europäischen Familie anzugehören? Es hat ja seinen Grund, dass jeder der zehn Neuen so rasch wie möglich in die Euro- und die Schengen-Zone will. Genau jene beiden Elemente, wo es schon die Kerneuropa-Idee gibt, üben ungebrochene Anziehungskraft auf die Nichtmitglieder aus."

"Mit aller Kraft"

Schüssel will daher nicht die Kerneuropa-Idee unterstützen, sondern "mit aller Kraft" für die neue EU-Verfassung kämpfen. Nur als Notprogramm wolle er sich der Frage stellen, wer an einer fortschreitenden Integration teilnehmen wolle. "Da ist für mich selbstverständlich, dass Österreich dazu gehört." (APA/red)