Finanzminister Karl-Heinz Grasser hat durch sein Schweigen zur Homepage-Affäre für eine Sitzungsunterbrechung des Nationalrats gesorgt

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Wien - Eigentlich hätte sich Finanzminister Karl-Heinz Grasser bei der Fragestunde im Parlament innerlich bequem zurücklehnen und die Fragen der Opposition, die ihm und seinen Mitarbeitern ja bekannt waren und vermutlich auch bearbeitet wurden, mit denselben Stereotypen beantworten können wie bisher. Die Fragesteller wären zwar an die Decke gehüpft, genützt hätte es ihnen wenig.

So aber erweckte Grasser ein bereits abgespieltes Stück wieder zum Leben, indem er sich verschwieg. Auf Fragen entweder nicht antwortete oder auf seine bisher getätigten Aussagen in dringlichen Anfragen, schriftlichen Anfragen und im Rechnungshof-Unterausschuss verwies.

So etwa, als SP-Wirtschaftssprecher Hans Moser wissen wollte, wann Grasser von der Gründung des Homepage-Vereins durch "engste" Mitarbeiter erfahren habe. Oder als sein Parteikollege Kai-Jan Krainer über angebliche Geldflüsse zwischen dem Verein und Grassers Sozialfonds Auskunft haben wollte.

Zum Stillstand und zur einstündigen Unterbrechung brachte der Finanzminister die Veranstaltung aber erst nach der provokanten Frage des grünen Budgetsprechers Werner Kogler, ob es einen Wirkungszusammenhang zwischen der Finanzierung von Grassers Homepage durch die Industriellenvereinigung und der Steuerreform gebe, die der Wirtschaft eine Milliarde Euro bringe. Es gebe natürlich keinen, entgegnete Grasser wütend, er weise das zurück, die Frage sei "unter der Würde des Fragestellers".

Das ging den Klubchefs von Grünen und SPÖ, Alexander Van der Bellen und Josef Cap, endgültig zu weit. Sie beantragten eine Unterbrechung und die Einberufung einer Präsidiale, um das weitere Procedere zu besprechen. Nationalratspräsident Andreas Khol unterbrach. "Sonst wären wir ausgezogen", so Van der Bellen und Cap unisono.

"Rettungsaktion"

Über Grasser beruhigt hatten sich die beiden auch später noch nicht. "Er beantwortet die Fragen nicht, er beleidigt die Fragesteller, und als Lohn dafür nehmen ihn ÖVP und FPÖ aus der Schusslinie, indem sie unsere dringliche Anfrage an Grasser mit einer eigenen, nachträglich entdeckten über die Studenten abschießen", schäumte Cap. "Das ist eine unnötige Rettungsaktion, damit Grasser heute nicht mehr antworten muss."

Van der Bellen: "Klare Provokation des Parlaments"

Van der Bellen warf Grasser eine "klare Provokation des Parlaments" vor. Natürlich müsse ein Minister nicht antworten, in diesem Fall sein Schweigen aber wenigstens begründen: "Aber nicht einmal diese Mindestanforderung der Höflichkeit erfüllt Grasser." Dass die Regierungsparteien "fünf Minuten nach Einlangen der Dringlichen gegen Grasser darauf gekommen sind, auch eine einzubringen, ist ein glatter Missbrauch des Fragerechts".

Khol mahnt Abgeordnete

Nach der Unterbrechung mahnte Nationalratspräsident Khol alle Abgeordneten, doch die Würde des Hauses zu achten. Außerdem habe ein Regierungsmitglied das Recht, die Antwort zu verweigern, wenn sich die Frage nicht auf die Vollziehung seines Amtes beziehe. Das tat Grasser in der Folge auch konsequent - und verweigerte die Antwort auf die Frage über angeblichen Geldflüsse zwischen dem New-Economy-Verein und seinem Sozialfonds. Ähnlich seine Reaktion auf die Frage von SP-Rechnungshofsprecher Günther Kräuter, ob die Homepage durch einen Ministeriums-Mitarbeiter "auf Steuerzahler-Kosten" betreut werde: Der Verein sei "privat", daher enthalte er sich einer Antwort, so Grasser.

"Witz und Pflanzerei"

Dass sich die Oppositionspolitiker weiter über diesen "Witz" und die "Pflanzerei" ärgerten, änderte nichts an einem: ÖVP und FPÖ hatten, wenn auch unter Ächzen und Stöhnen, zumindest für diesen Tag den Fall Grasser diskursiv entsorgt. Das war denn auch spätestens dann allen klar, als der Dritte Nationalratspräsident Thomas Prinzhorn die Debatte über Einsetzung eines Untersuchungsausschusses an die letzte Stelle der Tagesordnung setzte, also zur tiefen Nacht. (Samo Kobenter/DER STANDARD, Printausgabe, 30.1.2004)