Über 15 Meter legte ein frisch angelernter Schispringer gleich beim ersten Wettbewerb hin

Tourismusverband Mieminger Plateau
quot;Tiefe Hocke, die Knie nach vorne drücken, die Arme weit nach hinten, und den Rücken waagrecht, wie wenn ein Mehlsack draufliegen würde. Und der Mehlsack darf auch beim Absprung nicht herunterfallen." Leicht hat er reden, der Franz.

Auf der Suche nach immer neuen Marktnischen kommen die Touristiker auf zuweilen kuriose Ideen, um telegene olympische Wintersportarten auch dem urlaubenden Normalsportler schmackhaft zu machen: Biathlon im Gailtal, Curling in Arosa, und jetzt Skispringen auf dem Mieminger Plateau in Tirol, einem als Sonnenterrasse beworbenen, allerdings von einigen Hotel-und Appartementmonstern verschandelten Mittelgebirge über dem Inntal.

Nur drei Kilometer Luftlinie von hier entfernt liegt Stams mit seinem berühmten Skigymnasium, der Kaderschmiede für österreichische Spitzensportler. Hier wurde vor drei Jahren die Idee geboren, ganz normale Menschen - ein bisschen sportlich sollten sie schon sein - mit dem Skispringen vertraut zu machen.

Paul Ganzenhuber, Leiter des Skigymnasiums und ehemaliger Betreuer des österreichischen nordischen Skiteams, hatte "die Erfahrung gemacht, dass sich die meisten einfach nicht vorstellen können, wie es ist, mit diesen langen, breiten Brettern immer schneller zu werden, abzuspringen und wieder zu landen". Besorgte Eltern hatten ihn immer wieder gefragt, wie gefährlich das Skispringen denn für ihre Kinder wirklich sei. Und bei den Fernsehzuschauern, "die Skispringen vom Lehnstuhl aus ansehen", so Ganzenhuber, vermisse er die Achtung davor, "dass jemand 200 Meter weit springt".

Kurz gesagt, Ganzenhuber wollte das, was er und seine Kollegen seit Jahrzehnten einer handverlesenen Zahl von Kindern und Jugendlichen beibrachten, auch Durchschnittsmenschen vermitteln. Einen Partner fand er dabei im Mieminger Tourismusverband, der bereit war, Skispringen als Urlauberprogramm anzubieten.

"Das Wichtigste", erklärt Sprunglehrer Franz Leiner, "ist zunächst nicht der Anlauf, nicht der Absprung und nicht die Landung, sondern das Wichtigste für uns ist, dass wir am Schluss zum Stehen kommen." Wie Recht er hat. Deswegen üben wir immer wieder den Schneepflug, der mit den breiten Brettern ohne Kanten anfangs unweigerlich auf dem Hosenboden endet. "Es tut mir Leid, ich muss dich noch einmal plagen, aber das ist wichtig", sagt der Franz.

Er ist ein Freund und jahrzehntelanger Kollege Ganzenhubers am Skigymnasium und betreut den österreichischen Springernachwuchs. Sein Stolz ist Martin Höllwarth, aus dem er einen Juniorenweltmeister gemacht hat. Zu seinen "schönsten Sachen" zählt der Franz, "zu sehen, mit welcher Freude Kinder über eine Schanze springen". Und auch bei uns erwachsenen Anfängern versteht er es, Spaß aufkommen zu lassen, indem er zwischen Lobspenden, Ehrgeizwecken und Angstnehmen wechselt.

Drei Tage dauerte unser Kurs "Skispringen für jedermann". Die 15 Teilnehmer sind Frauen und Männer zwischen 20 und 65 Jahren. Das Beherrschen der alpinen Skitechnik auf mäßigem Niveau (Schneepflug und Schussfahrt) war eine unausgesprochene Voraussetzung, um nicht allzu angstbesetzt an die Sache zu gehen.

Der erste Tag war helle Freude. Nach Trockenübungen fuhren wir mit ganz normalen Alpinskiern eine mäßig steile Spur hinunter, in die der Franz ein paar Buckel eingebaut hatte. Sprünge von ein, zwei, später drei Metern ergaben sich dabei wie von selbst. Und am Nachmittag ging es dann über einen richtigen Bakken - zwar nur einen halben Meter hoch, aber immerhin in der Neigungskurve einer richtigen Schanze nachempfunden.

Euphorien dämpfte der Lehrer: "Morgen, mit den Sprungskiern, schaut das schon anders aus, aber wir packen das step by step." Ausfassen der Sprungskier - die kürzesten sind zwar nur beruhigende 1,69 Meter lang, aber die vollen elf Zentimeter breit -, und dann zurück zum Start: Schneepflug (siehe oben), Hoppeln über die bekannten Buckel und erst zum Schluss erneuter Versuch am Bakken, der bei den meisten mit einer gerodelten Landung endet.

Der dritte Tag beginnt mit Unsicherheit: Ein Sturz vom Vortag nagt am Nervenkostüm, aber Franz hat das bemerkt und empfiehlt einen verkürzten Anlauf. Das Ergebnis, eine gestandene Landung, zwar ohne Telemark, aber mit erfolgreichem Stillstand nach einer Schneepflugrunde ist ein physisches und psychisches Erfolgserlebnis, das Vertrauen gibt für den Sprungwettbewerb am letzten Tag, mit Ganzenhuber, Armin Kogler und der österreichischen Skisprungmeisterin Eva Ganster als Juroren.

Vorspringer sind die begeisterten Buben vom Skisprungverein Natters in Tirol. Sieger wird ein junger Kärntner mit 15,5 Metern, dessen Freundin mit 14,5 Metern Dritte ist. Und selbst dem Letzten mit sieben Metern Höchstweite zollt Armin Kogler noch Lob: "Super bischt gschprungen!"

Resümee: ein Egotrip, der eine atemberaubenden Sportart in ihren Basics erlebbar macht, von der Ausrüstung bis zum Gefühl des Fliegens. Danach sieht man ein Weltcupspringen und seine Protagonisten mit anderen, respektgeweiteten Augen. (Der Standard/rondo/13/02/2004)

Info: Anreise: Mit Bahn und Bus über Innsbruck nach Telfs-Pfaffenhofen. Mit dem Bus nach Mieming.
Mit dem Pkw Inntalautobahn bis Abfahrt Telfs West oder Mötz. Auf der Bundesstraße bis Mieming.
Pauschalen: drei- bis fünftägige Kurse. Das Paket mit Sprungkurs, Leihausrüstung und sieben Übernachtungen mit Frühstück im Privatzimmer ab 301 Euro.
Informationen: Tourismusverband Mieminger
Plateau & Fernpass Seen,
Tel.: 05264 / 8106, Fax: 05264 / 8230
www.mieminger-plateau.at