Die Lage ist ernst!

Foto: SPÖ

+++ Pro
Von Ljubisa Tosic

Es ist eine Ausnahmesituation. Deshalb kann man ein bisschen Verständnis für den obigen Man-in-black-Auftritt aufbringen. Er erfüllt ja für den Mann einen mehrfachen Zweck. Schließlich gilt es, bedauernd-unschuldig auf das Ableben der Koalition zu verweisen und gleichzeitig zu warnen. Die Lage ist ernst. Wenn ihr mich nicht wählt, wird eure Zukunft so düster wie mein Outfit. Klar verhüllt er mit der Pompfüneberer-Tarnung seine Absichten. Aussagen darüber, was man von ihm zu erwarten hat, wären unseriös.

Aus Prinzip sind wir also für extreme Buntheit des Langbinders - am besten, der Träger versteht ihn auch als Fläche, auf der sich Botschaften ästhetisch unterbringen lassen. Dann wird der Schlips zum hilfreichen Zeichen, Farbe und Muster zeigen deutlich, wer vor uns steht; Egoprobleme, Narzissmus wären schnell diagnostiziert. Wir plädieren deshalb entschieden dafür, Politiker für die Dauer eines Wahlkampfes endlich zum Tragen extremer Krawatten zu verpflichten. Würde Orientierung und Wahlentscheidung erleichtern.

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Contra---
Von Gerald John

Meine künstlerisch begabte Mutter möge mir diese Kolumne verzeihen. Sie hat einst die einzige Krawatte bemalt, die ich jemals besessen habe. Ein wildes Muster zierte das gute Stück, mit Farben wie in einem LSD-Trip - damit ich, wenn ich Familientreffen schon langweilig fand, zumindest nicht so aussah. Bis heute hat meine Erstkrawatte einen Ehrenplatz. In einer gut verstauten Kiste mit anderen Devotionalien aus der eigenen Geschichte.

Seither bin ich nie mehr auf die Idee gekommen, mir die Blutzufuhr zum Gehirn freiwillig abzuschnüren. Die Antwort auf die Frage, ob der derzeit viel plakatierte Herr auf dem Bild oben eine schwarze oder eine bunte Krawatte tragen sollte, kann deshalb nur lauten: gar keine! Und zumindest dieses eine Mal dürfte die Menschheit tatsächlich lernfähig sein: Selbst bürgerlich-konservative Geister wie Wolfgang Schüssel zeigen sich mittlerweile ja mit flottem Leiberl statt spießigem Binder unterm Sakko. Gelegenheiten, sich selbst einen Strick zu drehen, werden Politiker auch so noch zur Genüge vorfinden. (Der Standard/rondo/22/08/2008)