Steckt seine Nase am liebsten in seinen eigenen Tee: Johannes Gutmann, Gründer des Bio-Unternehmens Sonnentor, hat vor 20 Jahren die Marke gegründet und soeben den ersten Franchise-Shop in St. Pölten eröffnet.

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Das neue Buch "Auf der Sonnenseite" beschreibt die Geschichte von Gründer Gutmann und seiner Firma Sonnentor. Außerdem enthält es eine Kräuter-, Tee- und Gewürzkunde, 30 Rezepte und viele Fotos. Johannes Gutmann: "Auf der Sonnenseite". Residenz Verlag, 29,90 Euro

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DER STANDARD: Vor 20 Jahren haben Sie Sonnentor, die Bio-Marke mit der lachenden Sonne, gegründet. 2007 betrug der Umsatz 16 Millionen Euro. Welche Rolle spielt das Waldviertel heute noch für Sie?

Johannes Gutmann: Das Waldviertel wird immer unsere Wurzel bleiben. Es geht uns um unsere Bäuerlichkeit, um das, wo's herkommt. Bloß sind die Bauern im Waldviertel leider nicht die Geschwinderen: Unser nächstgelegener Kräuterbauer ist 30 Kilometer entfernt. Die meisten unserer 150 Biobauern kommen aus dem Weinviertel und dem Burgenland.

DER STANDARD: Weshalb Sie jetzt Anbauprojekte in Tschechien, Rumänien und neuerdings auch in Albanien gestartet haben?

Gutmann: Es gäbe sicher genug Biobauern in der Gegend - aber wir rennen keinem mehr nach. Alles, was hier gut wächst, nehmen wir auch langfristig aus Österreich: Zitronenmelisse, Pfefferminze und klassische Brotgewürze wie Anis, Kümmel, Fenchel, Koriander. Unser Ziel ist es, mit unseren Jointventure-Projekten Know-how zu transferieren und so wie in Österreich durch landwirtschaftliche Strukturen Arbeit vor Ort zu schaffen.

DER STANDARD: Sonnentor exportiert 90 Prozent. Warum schickt eine Firma, die nachhaltig wirtschaften will, Produkte in die ganze Welt?

Gutmann: Wir werden uns keiner Bestellung verwehren, die aus Australien oder Neuseeland kommt. Aber wir forsten gemeinsam mit unserem Vertriebspartner für jede Palette, die der Flieger nach Neuseeland bringt, nachweisbar Wald auf. So arbeiten wir CO2-neutral.

DER STANDARD: Sie liefern in 44 Länder. Was mag man wo besonders?

Gutmann: In Frankreich ist momentan das Hildegard-von-Bingen-Sortiment, das auf der Kräuterheilkunde der mittelalterlichen Äbtissin basiert, der absolute Renner. Das zieht auch in Japan: Fenchel ist dort das In-Getränk. Und im vorigen Jahr haben wir den Topdrink in den Spitzenhotels in Bali kreiert. Die wollten alle Waldviertler Pfefferminze.

DER STANDARD: Inspirieren Sie Reisen zu neuen Produkten?

Gutmann: In erster Linie lassen wir uns von Verpackungen inspirieren. Sie brauchen sich ja nur die Biobranche anschauen. Wieso hat sich das nicht entwickelt? Weil's noch immer Bio ausschaut. Wir müssen Produkte so hui anziehen, dass ihnen jeder nachschaut, ihnen manche nachpfeifen. Und manche picken bleiben.

DER STANDARD: An welchen Neuerfindungen kann man zukünftig picken bleiben?

Gutmann: Die Ingwer-Glücksbärchen, die eigentlich eine malaysische Spezialität sind. Eine ganz neue Klientel sprechen auch unsere Teepyramiden an: Das Outfit ist super, wie eine Parfumschachtel. Wenn ich die aufmache, glaube ich, ich steh' im Kräutlfeld. Ein weiteres Neuprodukt ist Kakao. Was folgt daraus logisch?

DER STANDARD: Schokolade mit Kräutern und Gewürzen?

Gutmann: Mit der kämpfen wir seit drei Jahren. Nächstes Jahr wird es so weit sein.

DER STANDARD: Warum ist das Salz von Sonnentor eigentlich nicht aus Österreich?

Gutmann: Am Anfang haben wir sogar 500 Kilo Meersalz aus Deutschland geschmuggelt, mit einem Warenwert von 500 D-Mark. In Österreich mit seinem Salzmonopol damals hätte ich das Zehnfache zahlen müssen. Ich hatte bei den Salinen angefragt, die meinten: Natursalz sei für sie uninteressant. Jetzt machen sie es, aber es ist nicht bezahlbar.

DER STANDARD: Was bringen die "Bodenschätze", Ihre neue Bio-Marke, für den Lebensmittelhandel?

Gutmann: In Deutschland, in der Schweiz, auch in Österreich gibt es viele Lebensmittelhändler und Feinkostläden. Die klopfen immer wieder an, aber die kriegen natürlich alle nicht Sonnentor - die Marke bleibt dem Biofachhandel vorbehalten. Für alle anderen haben wir jetzt die neue Marke eingeführt.

DER STANDARD: In Deutschland hat doch jeder Bioladen Sonnentor.

Gutmann: Ja, aber wie viele Bioläden gibt es in Deutschland? 2500. Da sind viele Strukturen - wie auch hier - nicht mitgewachsen. Wir leben von diesen bedrohten Zwergen. Und wenn die Zwerge einen Schnupfen haben, haben wir eine Lungenentzündung.

DER STANDARD: Haben Sie deshalb letzte Woche den ersten Sonnentor-Franchise-Shop in St. Pölten eröffnet?

Gutmann: Ich wollte immer Verantwortung in Hände geben, von denen ich weiß, die können damit umgehen. Und auf Franchise setzen wir vor allem auch wegen der Konzentration in der Biobranche. Deswegen muss ich mich langfristig auf eigene Beine stellen.

DER STANDARD: Was sagen Ihre treuen Bioläden dazu?

Gutmann: Die sind sehr traurig. Weil sie das System nicht verstehen. Sie sehen in erster Linie nur die Bedrohung. Das ist genau das, womit sie Chancen verbauen.

DER STANDARD: Die ersten Bioläden hätten sich keinen 1A-Standort wie Sonnentor in St. Pölten leisten können.

Gutmann: Sie haben's leider nicht verstanden, kein wirtschaftliches Risiko übernommen. Glauben Sie, ich habe keine Schulden gemacht? Aber wenn ich nichts verdiene, dann kann ich nichts verteilen.

DER STANDARD: Sind Sie eigentlich Vegetarier?

Gutmann: Nein. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, und da hat man das essen müssen, was auf den Tisch kommt. Mein Vater hat immer gesagt: Ich kann die Kühe nicht ertränken.(Katharina Seiser/Der Standard/rondo/12/09/2008)