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Bei der jüngsten Lacoste-Modeschau zeigte Christophe Lemaire Mode im 60er-Jahre-Look. Sein Kommentar: "Die Mods treffen Mary Quant."

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Designer Christophe Lemaire

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Ein Treffen mit Designer Christophe Lemaire, der das Image des Polo-Herstellers aufpolierte.

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Eine der vielen Lacoste-Karikaturen, die im Umlauf sind, sieht folgendermaßen aus: Ein Vater steht mit seinem kleinen Sohn im Zoo vor dem Gehege mit Krokodilen. Sagt der Sohn: "Schau mal, Papa: ein Lacoste!"

So gut wie der französische Polo-Hersteller stehen nur wenige Modeunternehmen da: seit 75 Jahren im Geschäft; ein Umsatz von 1,6 Milliarden; Zuwachsraten im zweistelligen Bereich. Eigentlich, möchte man meinen, könnte sich die Marke mit dem Krokodil als Logo gemütlich zurücklehnen.

Am Tag nach Lacostes Modeschau in New York geht es im Untergeschoss des Tribeca Grand Hotel ziemlich hektisch zu. Kamerateams packen ihre Ausrüstung aus, Michel Lacoste gibt Interviews, der Pressespiegel wird studiert. Die Reaktionen auf das Defilee, nicken sich die Lacoste-Leute zu, sind gut. Sehr gut sogar. Designer Christophe Lemaire kann zufrieden sein. Ist er aber nicht: "Warum kann ich nicht nur alle zwei Jahre eine Modeschau machen?", fragt der schmale Mann im olivgrünen Anzug und mit den dicken Augenringen. "Ich sage doch jede Saison dasselbe. Aber mit anderen Worten."

Ja, warum eigentlich nicht? 75 Jahre nachdem René Lacoste das Logo mit dem Krokodil erfand und als Erster die Idee hatte, es auf seine Polohemden zu nähen, gehört es zu den weltweit bekanntesten Markenzeichen. In einer gerade veröffentlichten Umfrage des Time-Magazin führt es in drei europäischen Kernmärkten (Frankreich, Spanien und Italien) die Liste jener Luxusgüter an, die Konsumenten auch tatsächlich besitzen. Wobei dieses Ergebnis an sich vielleicht weniger erstaunlich ist als die Tatsache, dass Lacoste-Produkte von Konsumenten als Luxusgüter angesehen werden.

Phänomen der Straße

Seit den Siebzigerjahren, als die Kleidung der Sportklubs und ihrer konservativen Mitglieder zu einem Massenphänomen wurde, ist das Krokodil ein Phänomen der Straße. Vorher waren Logos auf Kleidungsstücken generell nicht sichtbar, sondern diskret am Kragen angebracht. Das änderte sich mit Ralph Laurens Polospieler und Lacostes Krokodil. "Die Logos hatten dieselbe Funktion, wie wenn man das Preisschild am Kleidungsstück gelassen hätte", schrieb Naomi Klein in ihrem Globalisierungsklassiker "No Logo!": Sie wurden zu gut sichtbaren Distinktionszeichen.

Seit damals haben Logos ein Eigenleben entwickelt. Sie blähten sich auf wie auf der Mode von Tommy Hilfiger (er ruinierte damit beinahe sein Unternehmen), sie wurden mit kulturellen oder sozialen Erfahrungen gekoppelt (der Hugo-Boss-Kunstpreis, die Prada-Foundation) oder auf Dinge gepappt, die mit den Produkten des Unternehmens nichts zu tun haben (die Chanel-Ski, das D&G-Handy). Logos sind heute Zeichen für Werte, Gefühle, Gemeinschaften - und (nebenbei) auch für Produkte.

Bei dieser Entwicklung machte auch Lacoste fleißig mit - und manövrierte sich durch ungehemmte Lizenzvergaben in eine Krise. Über das Label, das der 25-jährige Tennisspieler René Lacoste 1933 gegründet hatte, als er nicht mehr im steifen Herrenhemd auf dem Platz stehen wollte, rümpften die Marken-Hedonisten in den Neunzigern die Nase: Jetzt trugen Lacoste vorzugsweise deren spießige Väter. Mit ihnen ließen sich zwar weiterhin Umsatzzuwächse erzielen, mittelfristig drohte aber ein Problem. Eine Imagekorrektur des Kroko-Labels musste her.

Remodeling der Marke

Sie trug den Namen Christophe Lemaire. Der bei seinem Engagement (2000) 35-jährige Designer sollte das sanfte Remodeling der Marke bewerkstelligen, sprich: sie verjüngen, verweiblichen und ihr einen Designer-Touch versetzen. "Das Schwierigste war", sagt er heute, "die Menschen innerhalb des Unternehmens zum Umdenken zu bewegen." Oder anders ausgedrückt: Es musste sich vieles ändern, damit alles so blieb, wie es war. Damit Lacoste weiterhin für einen Stil steht, diente man sich der Mode an. Das hört Christophe Lemaire weniger gern: "Mode ist ein System, das von Geld bestimmt ist. Um es am Laufen zu halten, sagt jede Saison jemand, was man zu kaufen habe." Lacoste symbolisiere dagegen einen bestimmten Stil. Eine gewisse Haltung. Gibt es deswegen Menschen, die sich nie und nimmer ein Polohemd überstreifen würden? Zu bürgerlich, lautet ihre Begründung, zu schnöselhaft. Noch schlimmer als ein Polohemd ist für sie nur ein Polo mit aufgestelltem Kragen.

Diese Haltung gegenüber Lacoste kennt auch Lemaire: "Natürlich ist Lacoste ein durch und durch bourgeoises Label, aber ein sehr sympathisches." Mit Lacoste, sagt Christophe Lemaire, assoziierten Menschen ganz ähnliche Bilder: Tennisspiele, Golfclubs, das bourgeoise Frankreich. Und natürlich das Polohemd aus Piqué.

Passion für die Clubs von Paris

Diese Bilder beschreiben auch die Jugend Lemaires: Der Vater spielte Golf, er selbst Tennis. Gleichzeitig besaß Lemaire eine Passion für die Clubs von Paris, in denen er auch selbst auflegte. Als er nach Lehrjahren bei Yves Saint Laurent und Christian Lacroix sein eigenes Label gründete, besaß dieses eine ausgeprägte subkulturelle Note. Weitaus näher an dem, was Hedi Slimane bei Dior machte, als am angestaubten Stil von Lacoste.

Genau so jemanden hatte der Polo-Hersteller nötig. Anders als bei Gucci, wo Tom Ford dem Lederfabrikanten ein radikal neues Image verpasste, ging man bei Lacoste einen sanften Weg: Ein ganzer, auf die Sporttradition der Marke abgestimmter Lifestyle wurde entworfen. Gezeigt wird er seit 2003 auf dem Laufsteg von New York. Jede Saison von neuem darf sich Lemaire vom Ambiente Monte Carlos inspirieren lassen oder von den Stränden von Biarritz. In die Geschäfte kommen die meisten der in New York präsentierten Teile allerdings nicht. Dafür wird die Mode in den Medien präsentiert. Zusammen mit dem Label mit dem Krokodil. Damit dieses irgendwann ja nicht alt aussieht.(Stephan Hilpold/Der Standard/rondo/26/09/2008)