Die Losari Coffee Plantation Resort & Spa.

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Wayang heißen die Figuren aus dem Schattentheater.

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Hauer wie ein Orang-Utan, zotteliger Pelz, rückgebaute Stirn. Irgendwie macht sich Herr Ibrahim gerade ziemlich zum Affen. Doch was heißt hier Affe? OrangKong müsste man sagen bei der ungeheuerlichen Maske. Und: Herr Ibrahim wütet nicht allein im Hinterzimmer des Sriwedari-Theaters. Das verrät bereits ein flüchtiger Blick in die anderen Spiegel der engen Schauspieler-Garderobe. Puderdöschen und Stanniolpapierschwerter haben sich über das Schminke-Schlachtfeld verstreut. Strass und Flitter von Schärpen und Schürzen flirren im Neonlicht. So wie jeden Abend gegen acht, wenn Surakartas Wayang-Orang-Ensemble aus allen Ecken der Stadt zur Metamorphose zusammentrifft.

Wer dann die Backstage-Tür öffnet, kann die Verwandlung von ganz normalen Javanern in Prinzen erleben. Und er erspäht Krieger, die mit zittrigen Händen gegen verwischte Lidschatten und bröckelnden Lippenstift kämpfen. Abgebrühter wirkt da bloß der Alte, der an diesem Abend den noblen Raja gibt - mit dicken Klunkern an den Fingern und einem langen Zigarettenspitz in der Hand. Dichte, süßliche Rauchwolken pafft er den aufgeregten Dämonen und Prinzen zu. Schwaden, die sich wie beruhigende Worte über das Lampenfieber senken.

Noch keine drei Stunden auf der Chefinsel Indonesiens und schon hüllt einen der Glanz der alten Kultur ein. So weich und umfassend wie der Nelkengeruch der Kretek-Zigaretten das tut. Seit jeher verbindet sich mit dem Klang Javas bekanntlich ein Zauber: Wiege des ältesten Homo erectus ist die langgestreckte Insel. Vor allem aber Epizentrum jener künstlerischen Finessen, die Indonesien heute sogar zum Hotspot des Ethno-Designs machen: Die genialen Schnörkel der lokalen Batikstoffe zählen dazu. Ebenso wie die exzentrischen Klangwolken der Gamelan-Musik und das Raffinement einer am Kreuzungspunkt der großen Kulturen Asiens gereiften Kochkunst. Java Kaffee. Java Tabak. Auch das sind Qualitätsstandards, die bis heute als roter Faden einer Java-Reise taugen.

 

Entspannter Alltag

Eine Art Requisitenkammer der eigenen Geschichte ist ja auch Surakarta selbst, Solo City, die stille Stadt vor der Garderobentür. Das Art-déco-Juwel des zufällig entdeckten Roemahkoe-Hotels mit seinen bunten Glasfenstern und eleganten Teakmöbeln wäre ein erstes Indiz. Die liebevoll vor der Dusche drapierten Batikhausschuhe und das leise Huschen der Bediensteten in ihren knöchellangen Wickelröcken ein zweites. Sachter als in anderen Städten des Archipels scheinen sich hier auch die Planierraupen und Baukräne zu bewegen. Sie haben Raum gelassen zwischen den Kulissen der Paläste und Basare, und Zeit für die kleinen Szenen eines entspannten Alltags. Das spontane Ballett der muslimischen Schulmädchen, die im Vorhof der Agung-Moschee mit Seifenblasen tanzen, ist so ein Moment.

Weiterreise nach Yogyakarta, dem Konkurrenten Surakartas - neben den Unesco-Kulturerbestätten des Tempels von Prambanan und dem Buddha-Heiligtum Borobudur der touristische Solarplexus der tektonisch hypernervösen Insel. Der Verkehr ist dichter geworden. Aber die Gucklöcher sind auch weiterhin da, ebenso wie das tausendstimmige Zwitschern im Birds Market, jenem Massenverlies für Honigsauger, Perlhühner & Co. Wie eine Stadt in der Stadt scheint der sorgsam verschachtelte Kraton-Palastbezirk, ein Labyrinth von Wegen, Höfen und Zeremonienzimmern, in sich zu ruhen.

Aber Yogyakarta geht auch mit der Zeit. Becak-Karosserien in Form von kleinen Lastwägen hat sich der geschäftstüchtige Bruder der Rajas ausgedacht, zur Promotion der eigenen Bäckerei. Prinz Joyokusumo heißt der Mann, so steht es auf der Visitenkarte, und mit dem Upgrading der Fahrrad-Taxis liegt er durchaus im Trend. Immerhin hat Java längst seine Liebe zur Motorisierung entdeckt und sich dabei jenen dicken Blechbrei eingebrockt, der für die am dichtesten besiedelte Insel der Welt zu erwarten war. Rund 130 Millionen Menschen leben hier auf knapp der doppelten Fläche Österreichs, und so herrscht auf den wichtigen Straßen chronisch dichter Verkehr.

Doch Java ist eine Insel für den zweiten Blick. Stets verbergen sich hinter den Kulissen der Konsumkultur, hinter den Plakaten für neue Motorräder und billigere Mobilbetreiber auch die Szenen einer ländlichen Realität. Dann gleicht ganz Java einem Wayang Kulit, einem Spiel der Silhouetten aus scheinbar verschiedenen Zeiten, die sich wie Schattenrisse unmittelbar hinter dem Betonbrei der langgezogenen Straßendörfer überlagern. Umgehend tauchen dort Javas traditionelle Kampungs auf, deren dörfliche Authentizität auch in Indonesien längst als Vorbild lokaler Fertigsuppen-Spots herhält. Die Strecke nach Bandungan ist so ein Fall: Bambusstauden haben hier, in den Bergen Zentraljavas, das Wuchern der Antennen ersetzt.

Den Holzhäusern sind fein geschnitzte Giebel und Balkone gewachsen, und unter den Tamarindenalleen parken mehr Wasserbüffel als PKWs. Die wenigen Fremden, die es hierher verschlägt, kommen wegen der in den Hügeln versteckten Gedung Songo Tempelchen. Oder aber sie befinden sich auf der Durchreise in die ländliche Abgeschiedenheit des weiter westlich gelegenen Dieng Plateaus, das mit Javas ältesten Hindu-Tempeln und Spaziergängen in einer unverbrauchten, oft von Nebel verhangenen Bilderbuchlandschaft lockt. Dabei ist man an den kleinen Nebenstraßen, die Java kreuz und quer überziehen, längst im wahren Zentrum der alten Kulturinsel angekommen. Jetzt, Mitte Dezember, hat der Monsun bleigraue Wolken über die grünen Feldertreppen gehängt, die am Nachmittag in wahren Sturzbächen vom Himmel fallen. Unvergessliche Eindrücke birgt der dichte Regenvorhang allemal: der warme, plötzlich immer heftigere Wind, der die Palmen kurz vor dem Nahen der Regenfront nach unten drückt. Die Ruhe der Alten, die in feiner Ikat-Bluse bis zu den Knöcheln im Schlamm versinken. Und nicht zu vergessen: das satte, dunkelgrüne Glänzen der eilig gekappten Bananenblätter, die sich die Menschen wie gewachsene Regenhäute überstreifen - vom Himmel frisch gewaschen, sinnlich und uralt zugleich wirkt Java in solchen Momenten. (Robert Haidinger/DER STANDARD/Rondo/21.11.2008)