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Prototypen von sogenannten Umwelttransformern zur Schärfung der Wahrnehmung. Gestaltet von der österreichischen Architekten- und Künstlergruppe Haus-Rucker-Co, 1968. Originaltitel: "Haus-Rucker-Co tragen Environment Transformers". Von links: Laurids Ortner, Günter Zamp Kelp und Klaus Pinter. Foto: Archive Günter Zamp Kelp, Berlin

Ein monströser Flugzeugträger in einer idyllischen Wiesen- und Hügellandschaft? Aus heutiger Sicht wirkt die Vision des Wiener Architekten Hans Hollein für eine Stadtanlage, in der 30.000 Menschen Platz haben sollten, wie ein schlechter Scherz. Betrachtet man die Schwarz-Weiß-Fotomontage allerdings aus der Sicht des Kalten Krieges, erkennt man in Holleins Arbeit von 1964 eine erstaunliche Meta-Dichte. Es ist die Angst vor der Apokalypse, die hier durchschimmert. Sie prallt auf die Sehnsucht nach Harmonie. In "Aircraft Carrier City" zeigt sich eindrucksvoll die Bedrohung der Auslöschung, die die Welt im nuklearen Wettrüsten zwischen den USA und der Sowjetunion in Atem hielt und vor der scheinbar nur eine gewaltige Festung, ein Zusammenhalt schützen konnte, der mit religiösem Eifer eingefordert wurde.

"Kybernetik und Städte im Himmel, Spione, Mikrowellen und Megastrukturen - das moderne Leben nach 1945 schien beides zu versprechen: die Katastrophe und die Utopie", sagt Jane Pavitt, Kuratorin der Londoner Ausstellung "Cold War Modern: Design 1945-1970". "Beides, so schien es, konnte mit einem simplen Druck auf einen Knopf erreicht werden."

Dieser Geist, der Kunst, Film, Architektur, die Möbel- oder Automobilindustrie, die Lebenswelten und den Alltag prägte und der das Design somit selbst zu einer scharfen Waffe stilisierte, ist das Thema der furiosen Schau, die das Londoner Victoria & Albert Museum zusammengestellt hat. Mit den 300 in sieben Kapiteln präsentierten Exponaten haben die Organisatoren aber kein erkenntnisarmes Kuriositätenkabinett geschustert, werden die gezeigten Stücke doch auch immer in ihrer ideologischen Provenienz entlarvt.

Schwelende Endzeitangst

Die durch einen drohenden atomaren Vernichtungskrieg schwelende Endzeitangst zeigt sich in den geradezu luxuriösen und stilvollen Bunkerentwürfen des Architekten Paul Lazlo wie in den Plänen für eine unterirdische Kathedrale von Le Corbusier. Alltagsgegenstände wie ein von Dieter Rams für Braun designtes Radio, das wie eine Spionagegerätschaft ausschaut, der Kabinenroller des Flugzeugherstellers Messerschmitt, die Olivetti-Schreibmaschine oder der Fiberglasstuhl des US-Gestalterpaares Charles und Ray Eames beweisen, wie sehr die Materialien, Techniken und Formen aus dem Flugzeugbau (später aus der Weltraumforschung) das Design beeinflussten. Die Ulmer Hochschule für Gestaltung, die bis zum Zäsurjahr der Studentenrevolten in den westlichen Ländern 1968 existierte, sah sich im Kampf um den Aufbau einer neuen Gesellschaft nach dem Horror des Zweiten Weltkrieges gar als Avantgarde einer euphorisch-spirituellen Design-Bewegung.

Und in einer Szene aus dem sowjetischen Musical "Cheremushki" von Herbert Rappaport aus dem Jahr 1962 tanzt ein Paar durch ein neues Wohnhaus, besingt das Parkett, den Korridor und die Garderobe im Anblick der sozialistischen Wohnungen, von denen sie eine zu ergattern hofft.

Die Sehnsucht nach Utopien, der Griff nach den Sternen - beides wird in spektakulär inszenierten Räumen dargestellt - entstand aus dem Widerstreit der Ängste und der daraus resultierenden Hoffnungen der klassischen Moderne, die besagte, dass eine bessere Welt möglich sei. Berlin, dem Hauptkampfplatz dieser Hoffnungen und Ängste, wird deshalb eine entsprechend große Fläche eingeräumt, auf der unter anderem konkurrierende Denkmalprojekte wie der sowjetische Soldat im Treptower Park und das nie verwirklichte Denkmal für den unbekannten politischen Gefangenen im Stadtteil Wedding oder die unterschiedlichen Baupläne von Le Corbusier und Walter Gropius im Westen und der monumentale Umbau der Karl-Marx-Allee (damals Stalin-Allee) im Osten thematisiert werden.

An der hervorragend umgesetzten Schau, die 2009 in Vilnius zu sehen sein wird und mit der das Victoria & Albert Museum sein Profil in Gegenwartsfragen weiter schärft, stößt nur der gewählte Zeitrahmen auf den ersten Blick etwas seltsam auf. Denn 1970 war der Kalte Krieg noch längst nicht zu Ende. Allerdings werden die Fronten durch die allmähliche Annäherung zwischen West und Ost vor allem durch die neue Ostpolitik der BRD aufgeweicht. Zudem tragen die Studentenrevolten linke Ideale und kommunistische Revolutionskultur tief in den Westen. An der Fortsetzung der Schau, die dem Postmodernismus ab 1970 gewidmet sein wird, so hört man, wird in London schon kräftig gearbeitet. (Ingo Petz/Der Standard/rondo/12/12/2008)