Wenn der Neusiedler See bei Windstille zufriert wie im vergangenen Jahr, dann ist er nicht nur der wohl größte, sondern sicherlich auch der schönste Eislaufplatz Europas.

Foto: Österreich Werbung / Gredler-Oxenbauer

Gerhard Gucher, der Tourismusdirektor des Burgenlandes, ist bekannt - und zuweilen berüchtigt - für seine schwere Werbepranke. Aber an einem ist selbst er gescheitert: das Burgenland zu einer Winterdestination zu machen. Dabei hat er es durchaus wacker versucht. Als kurz vor der Jahrtausendwende eine Lawine den Tiroler Ort Galtür verschüttet hatte, schaltete er flugs Inserate, in denen er die Lawinensicherheit und die idyllischen - sozusagen auch oder erst recht schneesicheren - Thermen Pannoniens anpries.

Das aber war wohl der falsche Weg. Das Burgenland ist immer noch keine Winterdestination. Selbst die kreativsten Kreativen in den allerkreativsten Werbestudios scheitern. Denn in ihren Köpfen hat sich eines festgekrallt: Das winterliche Flachland ist fad. Und nur unter kontraproduktiver Verdrehung der Tatsachen ließe sich behaupten: "Winterspaß im Burgenland!" Jetzt einmal abgesehen von den Thermen, die aber nichts anderes sind als das Gegenteil von Winter.

Es scheint also, dass Gerhard Gucher nie wirklich draußen gewesen ist. Sagen wir auf dem Feldweg zwischen Nickelsdorf und der alten Puszta namens Kleylehof. Bei, sagen wir, minus vier Grad und einem beständig steifen, manchmal böig aufwallenden Südost. Feiner, aber andauernder Schneefall. Graues, konturloses Nachmittagsdämmern. Und ein Automobil, dessen Tankuhr "viertel voll" anzeigt. Wäre der Tourismusdirektor es gewesen, dort draußen bei dem Wetter, dann wäre ihm die Winterwerbelinie des Burgenlandes wie Schuppen von den Augen gefallen: "Winter im Burgenland - Abenteuer pur".

Die Antarktis mag diesbezüglich um einiges mehr bieten. Aber diese leidet darunter, dass keine bedeutenden Ballungsräume in ihrer Nähe liegen. Es träumen ja viele Wiener und viele Pressburger davon, einmal in ihrem Leben dorthin zu fahren. Hier wäre wohl anzusetzen. Bei geeigneter Wetterlage läge die Antarktis nämlich direkt vor der Haustüre. Der Nachteil der raschen Erreichbarkeit wäre durchs authentische Erleben mehr als aufgehoben.

Einmal Messner sein

Selbst als profitables Trainingszentrum käme die Gegend infrage: Wer einmal ein Reinhold Messner werden oder zumindest einmal sein möchte, ist ausreichend bedient. Und das hätte zusätzlich noch den immensen Vorteil, die ewige Frage, ob das Glas nun halb voll oder halb leer sei, letztgültig zu beantworten. Der zu einem Viertel volle Tank zwischen Nickelsdorf und dem Kleylehof ist an 360 Tagen im Jahr zu einem Viertel voll. An den fünf verbleibenden, auf die es ankommt, ist er aber definitiv zu drei Vierteln leer.

Der Vorschlag zu einer forciert abenteuerlichen Werbelinie für den winteraffinen Burgenlandgast kommt durchaus zeitgerecht. Unlängst wurde in Illmitz die Dachgleiche der im Herbst eröffnenden - und aller Voraussicht nach letzten - Therme des Landes gefeiert. Bei dieser Gelegenheit wurde auch deren Name vorgestellt: St. Martins Lodge. Ach, was gäbe das für werbliche Möglichkeiten.

Nach der Anreise auf Skiern oder mit Hundegespannen über Kittsee und Halbturn würden dann beim Einchecken nur an jeden Zweiten Bademäntel ausgegeben. Das Schauspiel des Mantelteilens würde jegliche Kosten für allfällige Animateure und Animateurinnen ersparen.

Wer Gerhard Gucher kennt, weiß, dass er ein solches Szenario wohl durchaus schon angedacht hat. Aber leider schlägt auch da der Klimawandel durch. Denn auch der pannonische Winter hat in den vergangenen Jahren seine Charakteristik verloren. Selten noch hört man von unüberwindlichen, mörderischen Schneewechten, den Lawinen der Steppe. Die niederschlagsarmen, russisch kalten Tage sind selten geworden. Darunter leidet auch die wirkliche Winterattraktion des Burgenlandes.

Dass der Neusiedler See zum größten Eislaufplatz Europas wird, lässt sich einfach nicht mehr voraussagen. Weshalb die Seebadgemeinden ihre einschlägigen Werbeaktivitäten äußerst zurückhaltend einsetzen müssen. Im Vorjahr und auch heuer wieder - das nur zum Gustomachen - war es, ist es traumhaft: Saukalt und dabei windstill, gefror der See also wirklich spiegelgleich. (Wolfgang Weisgram/DER STANDARD/Rondo/9.1.2009)