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Rick Owens nennt seine Kleidung "droopy", also schlaff und herunterhängend. Seine illustre Klientel steht trotzdem auf die edlen, ausgefransten Stücke, in denen Träger gleichzeitig glamourös und abgefuckt aussehen.

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Im Jänner zeigte der Modemacher in Paris erstmals Männermode in einer eigenen Laufsteg-Schau.

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Er muss es wissen. Seine Kollektionen sind fast immer schwarz. Ein Gespräch über flamboyante Männer, gruftige Mode und seine eigene schwarze Mähne.

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DER STANDARD: Sind Sie manchmal enttäuscht, wie einfallslos sich die meisten Menschen anziehen?

Rick Owens: Ich lebe in Paris, und interessanterweise ist der Pariser Stil einer der furchtbarsten, den ich kenne. Extrem klassisch. Zwar schick, aber altmodisch. Bin ich in New York oder London, sehe ich jede Menge Kreativität in den Straßen. Bei den New Yorkern kommt dazu, dass selbst der "Normalo" ins Fitnessstudio geht und zumindest einen guten Körper hat.

DER STANDARD: Vor allem Männer greifen gerne auf die immergleichen Anziehsachen zurück.

Owens: Im Grunde mag ich es, wenn Männer Mode nicht brauchen, um sich selbst zu inszenieren. Jemanden mit einem offensichtlich schlechten Stil, bei dem hinten und vorn nichts zusammenpasst, finde ich lässig. Ich habe es bei Männern am liebsten, wenn sie eine komplett unangestrengte, fast anonyme Garderobe tragen.

DER STANDARD: Das sagen Sie? Die Mode, die Sie entwerfen, ist extrem exzentrisch!

Owens: Ich weiß, das ist ein Widerspruch, aber Reduktion ist bei Männermode um einiges interessanter als das sichtbar Bemühte. Wenn ein Mann meine Aufmerksamkeit mit Kleidung erregen soll, dann muss er wirklich extrem aussehen. Selbstbewusst flamboyant, mit Highheels und riesigem Hut zum Beispiel.

DER STANDARD: Könnten Sie sich vorstellen, dass der normale Büroangestellte in Ihren Kreationen zur Arbeit geht?

Owens: Das tut er! Am besten verkaufen wir unsere schlichten schwarzen T-Shirts und unsere schwarzen Jeans. Natürlich sind meine Laufsteg-Stücke ein wenig gewagter und werden nur von wenigen gekauft. Aber will ich überhaupt an die Masse verkaufen? Das würde so viele Einschränkungen bedeuten.

DER STANDARD: Was denken Sie, wenn Sie Männer in Ihren "extremeren" Entwürfen sehen?

Owens: Ehrlich gesagt bin ich verwundert, dass sich die Person traut, sie anzuziehen. Immer wenn ich männ- liche Stars in meinen Jacken sehe, denke ich: Wow, ich hätte nicht gedacht, dass der meine Mode mögen würde ...

DER STANDARD: Ihre Kollektionen sind vor allem schwarz. Warum?

Owens: Das stimmt nicht ganz: Meine ersten Kollektionen waren grau. Mich hat damals gestört, dass "extreme" Mode immer nur von "extremen" Leuten getragen wird. Dieses System wollte ich überlisten. Ich habe bodenlange Kaschmirröcke und Lederjacken in Grau entworfen. Plötzlich konnte man die Sachen auch am Tage tragen. Schwarz wäre zu aggressiv gewesen. Es ist die Farbe der Neurotiker und Komplexbeladenen.

DER STANDARD: Warum dann jetzt fast alles in Schwarz?

Owens: Schwarze Kleider setzen sich wunderbar gegen die Farbigkeit der Welt ab. Ich habe eingesehen, dass Schwarz am geeignetsten ist, die Formen von Kleidern zu betonen.

DER STANDARD: Sie werden oft als Gothic-Designer beschrieben. Ärgert Sie das?

Owens: Das ist schon in Ordnung. Ich habe keine Angst, mich lächerlich zu machen. Alles, was zu ernsthaft und bemüht wirkt, funktioniert nicht. Ich bin ein großer Fan von Horrorfilmen, die in ihrer Gruseligkeit oft auch komisch wirken. Dieser schmale Grat interessiert mich. Im Grunde zelebriere ich in meiner Mode nur, was sich alle insgeheim wünschen: böse und schelmisch sein. In Romanen sind das die interessantesten Charaktere.

DER STANDARD: Erinnern Sie sich noch, wie Sie sich als Teenager angezogen haben?

Owens: Ziemlich wild. Ich wollte die Blicke auf mich ziehen. Ich war jung, fühlte mich irrsinnig gut und habe die Leute mit meinem Stil provoziert.

DER STANDARD: Wie sahen Sie aus?

Owens: Das Haar stand mir in langen Stacheln vom Kopf, an meinem Nasenring baumelte ein Rosenkranz, dazu Chanel von oben bis unten. Was mich heute ärgert: Es gibt aus dieser Zeit kein einziges Foto von mir!

DER STANDARD: Dagegen wirken Sie heute, ganz in Schwarz und den langen Haaren, beinahe normal ...

Owens: Das genieße ich. Ich trage inzwischen jeden Tag das gleiche Outfit, wie eine Uniform. Vielleicht, weil ich mich nicht mehr über die Selbstinszenierung ausdrücken muss, sondern das durch meine Arbeit tun kann.

DER STANDARD: Was fasziniert Sie denn an der Idee der Uniform?

Owens: Eine Uniform kann auf eine absurde Art befreiend sein. Befreiend von dem Druck, sich und seine Garderobe ständig neu erfinden zu müssen. Der berühmte Interiordesigner Jean-Michel Frank hatte angeblich vierzigmal den identisch gleichen, grauen Anzug in seinem Schrank gehabt. Das hat mich schon immer fasziniert.

DER STANDARD: Auch Ihre männlichen Models tragen zum Teil hüftlange Haare. Steht das Männern einfach besser?

Owens: Ja. Männer mit Kurzhaarschnitten tun sich Gel ins Haar, um am Freitagabend im Club ein bisschen "extremer" auszusehen. Am nächsten Tag setzen sie sich geföhnt bei den Schwiegereltern an den Tisch. Lange Haare dagegen kann man nicht wie ein verrücktes Accessoire ablegen, man entscheidet sich dafür. In westlichen Ländern sind lange Haare noch immer nicht gesellschaftskonform. Das gefällt mir. (Julia Grosse/Der Standard/rondo/27/02/2009)