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"Wenn man warten muss, muss man sonst nichts tun."

Foto: Reuters/Tim Wimborne

Der Flieger war im Service geblieben, Leslie musste auf eine andere Maschine warten. Nach einer halben Stunde hatte sie dem Maler mit dem violetten Gürtel, der ihr gegenüber saß, dessen Pistazien abgeknöpft. "Man muss das hier ausnützen", sagte der Maler. "Wenn man warten muss, muss man sonst nichts tun. Und wenn man sonst nichts tun muss, dann kann man endlich Boccia spielen." Er packte seine Boccia-Kugeln aus und warf Leslie den kleinen Ball zu.

In dem Warteraum in den weißen Plastikschalensesseln lagen die Beine weit nach vorn vorgestreckt, fünf Männer, eine Band aus Belgrad. Leslie warf den Ball vor die spitzen Lackschuhe des Gitarristen. "Mach die Musik lauter", sagte sie. Der Gitarrist folgte und winkte seinen Freunden zu, damit sie mitspielten.

Nach 50 Minuten Boccia-Spielen hatte er die größte Fangruppe unter den Flugpassagieren um sich gesammelt. Die Männer am Sicherheitscheck, die die Handtaschen durchröntgten, hielten aber zu der Kellnerin aus der Slowakei, die bei jedem Wurf etwa zwei Kugeln von anderen in die Ecke schleuderte. Es gab Oliven, Bier und Baklava. Nach zwei Stunden war ein neuer Flieger startbereit.

Leslie ging zum Schalter hinter dem Spiegelglas. "Darf ich mal?", fragte sie die Frau in dem blauen Kostüm. Leslie drehte das Mikrofon zu sich: "Der Flug nach Neapel verzögert sich um eine weitere halbe Stunde, wahrscheinlich sogar um eine ganze Stunde", schallte Leslies Stimme über die Lautsprecher. "Wir müssen nämlich noch fertigspielen", erklärte sie der Frau am Schalter.

Als Leslie zu ihren Spielkameraden zurückkehrte, klatschten sie. Und als sie viereinhalb Stunden später ins Flugzeug stiegen, hatte doch der Maler gewonnen, Leslie hatte alle CDs der Bubenband kopiert, und der Gitarrist konnte auf Slowakisch "Bitte, ein bisschen sanfter!" sagen.

"Wo könnten wir das nächste Mal gemeinsam warten?", fragte Leslie, als das Flugzeug abhob. "Morgen, 15 Uhr, am Flughafen in Neapel Boccia? Einverstanden?", sagte der Maler. (Adelheid Wölfl/Der Standard/rondo/22/05/2009)