Ohne Marrakesch gäbe es die Düfte von Serge Lutens nicht.

Fotos: Shiseido

Sein neuester Duft "Fille en Aiguilles".

Fotos: Shiseido

Das Duftlabor ist das Herzstück von Serge Lutens' Palast in der Altstadt von Marrakesch. 2400 Duftstoffe lagern hier, wertvolle Zutaten für edle Parfums. Abweisend wirken die hohen, kahlen Mauern von außen. Doch öffnet ein Diener das große, eisenbeschlagene Tor, tut sich eine orientalische Märchenwelt auf. Aus der riesigen Eingangshalle führt eine Assistentin treppauf, treppab durch ein Labyrinth von schmalen Gängen zu unzähligen Räumen, die mit antiken arabischen Möbeln, Berberschmuck und Gemälden der 30er-Jahre dekoriert sind. Dazwischen üppig bepflanzte Innenhöfe mit Wasserspielen.

Das ist das Reich von Serge Lutens, der sich 1974 als einer der ersten Europäer in Marrakesch niedergelassen hat. Der ausgebildete Friseur erregte mit Fotos für die Vogue Aufsehen und erhielt 1968 einen Vertrag als Schminkkünstler bei Christian Dior. Ab 1980 feilte er als Artdirector von Shiseido am Image des Kosmetikkonzerns. In Zusammenarbeit mit der japanischen Gruppe erfindet er seit 2000 exklusive Parfums unter seinem eigenen Namen. Seine Arbeitsweise erinnert an Urzeiten, als die Duftstoffe noch als Weihegaben für die Götter in Rauch aufgingen (pro fumo). "Wichtig sind nicht nur die Zutaten, wie Sandel- oder Zedernholz, Moschus oder Amber, sondern vor allem die Mischung, die sich beim Verbrennen ergibt. Aus manchen Substanzen entsteht dann auch der Name, so wie "Ambre Sultan" oder "Féminité du Bois", ein Bestseller, entstanden aus einem Stück Zedernholz, das ich bei einem Dreher gefunden habe."

Lutens führt in Marrakesch eine Art Doppelleben, zwischen einem kleinen, bescheidenen Haus im berühmten Palmenhain und dem traumhaften Palast in der Medina . "Ohne Marrakesch hätte es meine Parfums nie gegeben. In den westlichen Großstädten verkümmert der Geruchssinn, hier entwickelt er sich. Abseits der kalten Welt des Marketings habe ich das Riechen gelernt, im Souk, in Märkten und Gärten am Fuß des Atlas."

Auf dem berühmten Platz Jemaa el Fna, wo sich allabendlich Akrobaten, Schlangenbeschwörer, Musikanten vor staunenden Touristen produzieren, herrscht ein besonderer Geruch vor: "Das ist Kreuzkümmel, den finde ich unwiderstehlich. Auch einfache Leute reiben sich damit ein. Er ähnelt am meisten dem Duft eines sauberen, sinnlichen Körper."

Vor 30 Jahren begann Lutens mit dem Bau und der Restaurierung seines Palais. Es entstand ein Tempel marokkanischer Handwerkskunst, ein ästhetisches Juwel. "Als ich zum ersten Mal hierherkam, verkehrten hier nur Exzentriker, Künstler, Modeschöpfer wie Givenchy und Yves St. Laurent." Mittlerweile hat sich das geändert. Doch Serge Lutens ist geblieben - und mischt sich seine Erinnerungen an das ursprüngliche Marrakesch selbst zusammen. (Linda Koreska/Der standard/rondo/21/08/2009)