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So schaun s' aus, die Dirndln.

Foto: APA/dpa/Wolf-Dietrich Weissbach

Mit Dirndlsträuchern ist es so ähnlich wie mit großen Brombeerschlägen. Beide sind doch relativ selten, und deshalb werden beide von einer regional und von Exemplar zu Exemplar schwankenden Menge anonymer Beobachter - meistens Beobachterinnen - über die gesamte Saison hinweg begleitet. Was die wollen, ist ja wohl klar: den Rohstoff für köstliche, unbezahlbare, weil niemals käuflich erwerbbare Marmeladen.

Bereits im Frühling werden die fruchtspendenden Gewächse im spaziergängerischen Vorübergehen auf ihre Blütenmenge geprüft. Bei den Kornelkirschen, hierzulande Dirndln genannt, ist das einfach: Die blühen früher als praktisch alles andere und stehen dann, vielversprechend mit kleinen, gelben Sternchen gesprenkelt, an Feldrain und Waldesrand.

Sehr schön: viele Blüten, viele Früchte. Warmer Tag. Guter Bienenflug. Befriedigte Heimkehr der Spaziergängerinnen.

Aber noch heißt das gar nichts. Der Sommer muss feucht, der Herbst warm sein, und beides natürlich möglichst sonnig. Dass heuer ein historisches Prachtjahr für eine Rekorddirndlernte heraufdämmerte, war spätestens ab Anfang September klar. Alles voller Dirndln. Noch unreif natürlich. Aber nicht mehr lang. Verschiedenste Spaziergängerinnen eilten, von Vorfreude erfüllt, von ihren Spionagegängen heim und begannen sicherheitshalber jetzt schon, kleine Marmeladegläser aus Dachböden und Kellern hervorzukramen.

"Heuer müssen wir schnell sein!"

Ab Anfang September wurde die Angelegenheit wie jedes Jahr nervenzerfetzend. Die Spaziergänge häuften sich. Die Spaziergängerinnen begrüßten einander bei unvermeidbaren zufälligen Begegnungen in ausgesuchter Freundlichkeit - "Wie geeeeeht's Ihnen denn?" -, während sie scheeläugig die Dirndlstaude nach etwaigen bereits erfolgten Erntevorgängen überprüften. "Jessasna!", raunte mir die verbündete Nachbarin über den Zaun zu: "Heuer müssen wir schnell sein!"

Der Vorteil liegt in der Geografie - die prächtige alte Dirndlstaude wächst auf dem Weg gleich hinter dem Haus. Heimvorteil. Ab Mitte September überprüften wir den Reifegrad so gut wie täglich. Denn erst, wenn die Dirndln dunkelrot werden und schon bei der geringsten Berührung abfallen, dann sind sie reif und brauchbar.

Dieser Tag war vergangene Woche, und es war orgiastisch. Ein großes, altes, weißes Leintuch gepackt, unter die Staude gebreitet, ästeweises sanftes Schütteln - und eingesackt waren ein paar Kilo.

Tatsächlich bleibt natürlich genug für die anderen. Zumindest für drei, vier von ihnen. Die anderen müssen in anderen Revieren jagen. Was aber alle von ihnen nicht wissen, und was ihnen beizubringen schwierig werden dürfte, ist Folgendes: Es gibt unter den Spaziergängerinnen auch einen Spaziergänger. Er ist mit einem Hund unterwegs. Er weiß nicht, dass ich früh aufstehe. Er ahnt nicht, dass ich sowohl seine als auch des Hundes Angewohnheit kenne, exakt am linken Ende der Staude täglich eine kleine Pause der Erleichterung einzulegen.

Deshalb ein Tipp für alle: Wenn Sie pflücken - pflücken Sie oben. (Ute Woltron/Der Standard/rondo/02/10/2009)