Dann ist es schon im Frühherbst kalt und instabil, ganz so, als wäre es November. Dann muss das Oktoberfest in den Juni vorverlegt werden. Und dann kennt sich überhaupt keiner mehr aus.

Foto: Der Standard

+++Pro
Von Ronald Pohl

Es ist ein Schandfleck, die herbstliche Wärmeabgabe unseres Zentralgestirns einer Sphäre zuzuschlagen, in der sie nichts zu suchen hat. Altweibersommer: Das klingt nach gestärkten Röcken - nach dem unsäglichen Geruch von zerkochtem Wirsing; während eine beleibte Großtante unter Zuhilfenahme eines kurzbeinigen Schemels in das Gewürzregal hinauflangt, um das Döschen mit dem Kümmel zu erhaschen. Den übrigen Tag lang hetzt Tante Frieda - verwitwet, Bezieherin einer Hofratspension, stolz auf die "Freiheit", die sie seit dem Ableben des ihr ehemals Zugemuteten trotzig genießt - durch Fluren, die mit falbem Laub bedeckt sind. Ein Dachshund umschmeichelt ihre geschwollenen Fesseln. Zum Beschluss des Tages tut sie sich an einem Hirschragout gütlich. Sie muss sich vorher nur den Schweiß von der Stirn tupfen, denn die Frühoktobersonne kann ganz schön gleißen. Das alles hat mit dem lieben Sommer nichts zu tun. Der allmählichen Versteppung unserer Klimazone eignet keine postklimakterielle Qualität. Der Sommer ist unteilbar.

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Contra---
Von Markus Mittringer

Mit dem Umbenennen wird es anfangen. Und dann wird die wohltuende Singularität ganz plötzlich weg sein. Dann ist es schon im Frühherbst kalt und instabil, ganz so, als wäre es November. Dann muss das Oktoberfest in den Juni vorverlegt werden. Und dann kennt sich überhaupt keiner mehr aus. Es ist schon schwer genug, zu Hause glaubwürdig zu versichern, dass die Wiesn schon Ende September ausschenkbereit ist. Und was noch dazukommt: Wenn sich ob der Bezeichnung Altweibersommer angegraute Damen in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt vorkommen, dann ist das traurig, aber nicht weiter gefährlich. Was aber bitte, wenn jetzt aus völlig unvorsichtiger Willkür heraus alle anfangen von "Indian Summer" zu reden, nur weil ein Hochdruckgebiet auf den Herbst trifft? Und dann ein Inder sich beleidigt fühlt, und alle anderen seiner Nation mit dieser Stimmung ansteckt. Besser nicht einmal daran denken. Wir bleiben einfach dabei, das warme Ausklingen fälschlicherweise den Omas zuzuschreiben. Und aus! (Der Standard/rondo/16/10/2009)