Bergauf werden die Schritte kürzer, berg- ab darf man sich auch hoppelnde Sprünge erlauben oder in eine Rutschhocke gehen. Die Stöcke halten Balance, aber ohne Stöcke wird, wie beim Skifahren und Langlaufen, das Gleichgewicht trainiert.

Foto: lammertal.info

Liftauf, pistenab kann ganz schön stressig sein für Urlaubseltern und deren Kinder: die teuren Skipässe, das Warten in der Liftschlange, das Frieren in den Fingern, weil ja wollene Fäustlinge für einen Siebenjährigen total uncool sind. All das zerrt an den Nerven der Erholungssuchenden. Man wollte ja sich und Sohn Jonas etwas bieten. So wie der Bürokollege Stefan, dessen Tochter stolz die Plakette vom Skikurs-Abschlussrennen herumzeigt. Kollege Stefan überlegt jetzt, seine Melanie vielleicht im nächsten oder übernächsten Jahr in ein Racing-Camp zu schicken. Vielleicht zur Michi Dorfmeister oder zur "Meisi". Irgendeine von Österreichs Skilegenden wird so etwas doch wohl anbieten.

Warum nur, versteht der siebenjährige Jonas das nicht. Er schaut doch auch alle Weltcup-Rennen im Fernsehen an und hofft, dass Benni Raich den nächsten Riesentorlauf gewinnt. Oder noch besser Bode Miller, über den die anderen in der Schulklasse sagen, der werde nie mehr etwas reißen. Aber dann hat Klein-Jonas nach diesem sonnigen zweiten Skitag auf griffiger Pulverpiste nichts Besseres zu sagen gehabt als: "Papa, können wir morgen nicht einen Schneemann bauen?"

Zwar hat der vorsorgliche Vater bei der All-inclusive-Buchung mit Wochenskipass damit gerechnet, Schlechtwettertage mit einem ebenfalls inkludierten Hallenbadbesuch oder einem Shoppingtrip ins nahe Salzburg zu überbrücken, aber einen wertvollen Urlaubstag mit dem Bauen eines Schneemanns zu verplempern, vielleicht vorher noch im Supermarkt eine Karotte für die Nase zu kaufen, das erschien nun wiederum dem Ernährer als extrem uncool. Auch Jonas' Alternativvorschlag, einen Iglu zu bauen, wurde abgeschmettert. Dazu sei der Schnee zu locker.

Rettung aus der Urlaubskrise winkte schließlich bei einem Bummel durchs Dorf. "Was sind denn das für komische Dinger?", rief Jonas vor dem Fenster eines Sportartikelverleihs in St. Martin im Lammertal. "Das sind Schneeschuhe." "Und wozu sind die gut?" "Mit denen sind die Eskimos und Trapper durch den Schnee gestapft." "Auch die Kinder von den Eskimos?" "Ja, auch die Kinder, wenn sie bei der Jagd geholfen haben." "Und gibt es auch hier Schneeschuhe für Kinder?" Es gab sie, nämlich zu leihen, und am nächsten Tag sollte die ganze Familie sie ausprobieren.

Es ist erstaunlich, wie leicht man Kinder auch für etwas anstrengendere Aktivitäten begeistern kann, wenn diese ihre Fantasie beflügeln: Langlaufen als Expedition in ein unbekanntes Tal, eine Skitour als Eroberung einer Berghütte oder Schneeschuhwandern auf den Spuren der Inuit, Trapper oder Jäger. Zwei staatlich geprüfte Salzburger Wanderführer, Harald Wass und Herbert Reschreiter, haben das vor zehn Jahren erkannt und mit ihrem Unternehmen "Bergfex Sport" der Salzburger Tourismusregion Lammertal / Dachstein West zu einem neuen Image als Kompetenzzentrum für naturnahen Wintersport verholfen: Langlauf, klassisch und Skating auf 200 Kilometer präparierten Loipen, Skitouren und Backcountry-Skiing, Winter-Nordic-Walking und Schneeschuhwandern gehören zu den Aktivitäten, die im Lammertal zu sanftem Urlaub verlocken. Neuerdings übrigens auch Biathlon mit Lasergewehren.

Am nächsten Tag können Jonas und seine Eltern zunächst einmal lange schlafen. Erst nach Mittag geht's los. Zuerst mit einem Kleinbus nach Oberschober, wo die Basics erklärt werden: die Beine etwas breiter, damit man sich nicht mit dem rechten Schneeschuh auf den linken tritt. Und dann einfach locker losstiefeln. Bergauf werden die Schritte kürzer, bergab darf man sich auch hoppelnde Sprünge erlauben oder in eine Rutschhocke gehen. Die Stöcke halten Balance, aber ohne Stöcke wird, wie beim Skifahren und Langlaufen, das Gleichgewicht trainiert. Und keine Angst vor Stürzen! Auch beim Fritzelack-Bauchfleck droht mit den knapp 65 cm langen, 20 cm breiten und weniger als ein Kilo schweren Geräten keine Gefahr für Knie und Knöchel.

Die gerade boomenden Schneeschuhwanderführer empfehlen gerne Tal-Gipfel-Tal-Touren. Das völlig falsche Gelände, meinen die wahren Schneeschuhfreunde, die von Alpenvorland und Mittelgebirge schwärmen, wo man stundenlang durch "Gegend" stapft, wo kurze, heftige Aufstiege für "Puls" und anschließendes Bergab für Adrenalin sorgen, bis es zwischen raureifstarrenden Erlen entlang eines Baches weitergeht. Solche Landschaften sind das Allgäu, Bayern, Oberösterreich - und das Salzburger Lammertal.

Stundenlanges Wandern wird den zehn Einsteigern nicht zugemutet. Die beiden Bergfexe haben zwei Routen ausgewählt, eine ganz leichte und eine etwas schwierigere, und es gibt immer wieder Pausen, zum Fotografieren oder zum Schneeabschütteln nach einem Sturz. Jonas hat sich für die schwierigere Variante entschieden, nicht zuletzt deshalb, weil dort auch die neunjährige Julia läuft, neben die er sich beim gemütlichen Ausklang im Berghof Wildau setzt.

Am Tag darauf ist Jonas wieder ganz zufrieden auf der Abfahrtspiste, aber noch einmal müssen die Eltern mit ihm zum Schneeschuhwandern. Die Julia ist zwar diesmal nicht dabei, aber Jonas entdeckt die "Jagd auf den Schneemenschen Yeti". Und bei der Heimfahrt liegen drei nagelneue, unterschiedlich große Schneeschuhe der Marke Tubbs im Kofferraum. Es könnte ja Schnee im Wienerwald liegen. (Horst Christoph/DER STANDARD/Rondo/22.01.2010)