Derzeit werden Hinweistafeln aufgestellt, die auf rücksichtsvolles Verhalten im Klettergarten und die Gefahren des Klettersports hinweisen.

Foto: Klettergarten

Frühling in der Wachau. Die Marillen sind schon verblüht, jetzt sind die Pfirsiche dran. Der Donauradweg wird bereits heftig frequentiert, auf dem Parkplatz bei Dürnstein laden muskelstarke Männer ihre Bikes vom Dachträger. Nur zwei ältere Herren schleppen anderes Sportmaterial aus dem Kofferraum. Ein knallgrünes 60-Meter-Seil, Steinschlaghelme, knappes Schuhwerk mit griffigen Sohlen und jede Menge klirrende Leichtmetallkarabiner.

Den Blick in die bewaldeten Höhe gerichtet verlassen die rüstigen Senioren alsbald den Radweg und streben seltsam geformten Felsgebilden entgegen, die noch seltsamere Namen tragen: der Turm der Mächtigen und der Turm der Schmächtigen, der Radiererfelsen, der Splitterturm und die Civetta, die freilich nur eine Mini-Mini-Ausgabe der berühmten Kletterwand in den Dolomiten ist.

Seit hundert Jahren wird an den Türmen und Wänden rund um die Burgruine Dürnstein, sechs Kilometer westlich von Krems, geklettert. Der Gföhler Gneis, ein festes, kleinkristallines Urgestein, bietet hervorragende Voraussetzungen dafür. Waren es ursprünglich nur ein paar Begeisterte aus der nächsten Umgebung, die den Klettergarten Dürnstein als Übungsgelände für große Felstouren in den Alpen nutzten, so wurde das Gebiet durch die Entwicklung des Sportkletterns in den letzten beiden Jahrzehnten auch ein gutes Stück über Niederösterreich hinaus populär. "Nicht dass jetzt Deutsche oder Tschechen einen ganzen Kletterurlaub in der Wachau verbringen", schränkt Peter Dunst, Alpinreferent der Alpenvereinssektion Krems, ein, aber ein Wochenende im Frühjahr oder Herbst, verbunden mit einem Heurigenbesuch, sei auch im benachbarten Ausland nicht unattraktiv. Peter Dunst, der die Felsen um Dürnstein kennt wie andere die Wachauer Weinberge, hat durch die Sanierung und Beschreibung der vielen Routen selbst nicht unerheblich zum Bekanntwerden des Gebiets beigetragen.

Bereitschaft zur Eigenverantwortung

Das hatte auch negative Seiten. Zwar sind an unserem schönen Donnerstagnachmittag nur die beiden Frühpensionisten am Goti-Fels, einer Route des vierten Schwierigkeitsgrades, zugange, aber an einem sonnigen Wochenende können es gut und gerne auch einmal fünfzig oder hundert werden. Und das bringt Probleme, denn erfahrungsgemäß sinkt bei steigender Zahl von Menschen auf freier Wildbahn deren Bereitschaft zur Eigenverantwortung. Das beginnt bei der Abfallbeseitigung und endet bei Sicherheits- und Haftungsfragen. Der ÖAV, genauer gesagt, dessen Sektion Krems, ging daher vor vier Jahren daran, Nutzungs- und Haftungsfragen vertraglich zu fixieren. Das schien relativ einfach, da es nur einen einzigen Grundeigentümer gab, nämlich die Fürst Starhemberg'sche Familienstiftung, die übrigens in erster Linie interessiert war, klare Verhältnisse zu schaffen, um nicht angesichts einer auch bei Freizeitsportlern überhand nehmenden "Vollkaskomentalität" bei Unfällen zur Kassa gebeten zu werden. Bald aber erfuhren AV und Grundeigentümer, wer aller an ein paar Bäumen und Felsbrocken Interesse anmeldete. Da waren einmal die Jäger, die gehört werden wollten. Und dann gab es die Vogelschützer, die sich zu Wort meldeten, und die Naturschützer generell. Und die Gemeinde Dürnstein in Form des Tourismusverbandes. Auch die übrigen im VAVÖ, dem Verband der alpinen Vereine Österreichs zusammengefassten Organisationen, die Naturfreunde und den Touristenklub, die sich an der Erhaltung des Wegenetzes in der Wachau beteiligen, wollte der ÖAV nicht ungefragt lassen. Ebenso wenig wie die Land&Forstbetriebe Österreich, zu denen auch die Starhemberg'sche Familienstiftung gehört.

Drei Jahre und unzählige Sitzungen, Protokolle und Gutachten brauchte es, bis der Vorsitzende der AV-Sektion Krems, Gerhard Pfriemer, und der Forstmeister der Familienstiftung, Norbert Weigl, einen umfangreichen Vertrag abschließen konnten, den alle Beteiligten heute als Vorbild für Fair Play im Wald bezeichnen. Danach übernimmt der ÖAV Krems die Halterschaft über die in der Vergangenheit ohne Zustimmung der Grundeigentümer angelegten Kletterrouten. Für die Grundeigentümer ist klar gestellt, dass sie bei Unfällen nicht haften. Der ÖAV Krems erklärt Peter Dunst zum ehrenamtlichen Klettergebietsbetreuer, der für die Erhaltung der Routen und der Zugangssteige sorgt und sich dabei mit dem Revierförster abstimmt. Derzeit werden Hinweistafeln aufgestellt, die auf rücksichtsvolles Verhalten im Klettergarten und die Gefahren des Klettersports hinweisen. Umgekehrt verpflichten sich die Kletterer, die als Klettergarten ausgewiesenen Zonen zu benutzen und die Flora und Fauna der außerhalb gelegenen Gebiete sich selbst zu überlassen.

So etwas nennt man neudeutsch eine Win-Win-Situation: für die Kletterer, die Grundeigentümer und den Naturschutz. Die beiden Oldies haben inzwischen den Goti-Fels bezwungen, packen ihr knallgrünes Seil ein, tauschen die Kletterpatschen gegen Trekkingschuhe und ziehen auf dem ausgewiesenen Steg talwärts. (Horst Christoph/Der Standard/rondo/14/05/2010)