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Schlank, hübsch und mit keinen besonderen Fähigkeiten ausgestattet: Das ist die vorherrschende Meinung über Models. Ein Bild von den jüngsten Modeschauen in Mailand (Dolce & Gabbana).

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Caroline Evans

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DER STANDARD: Sie beschäftigen sich mit der Kulturgeschichte von Models. Seit wann gibt es Models?

Evans: Es gibt Hinweise auf erste Models in den 20er-Jahren des 19. Jahrhunderts. Sie waren Männer. Sie wurden von Schneidern dafür bezahlt, durch Paris in ihren schicken Gewändern zu flanieren. Sie waren eine Art lebende Werbung.

DER STANDARD: Die ersten Models waren Männer?

Evans: Ja, das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass Männer wesentlich mobiler waren und über größere Freiheiten verfügten als Frauen. Diese besuchten Schneider auch nicht in ihren Ateliers, die Schneider kamen zu ihnen nach Hause. Es gab also keine Notwendigkeit für Damenschneider, mit Models zu arbeiten. Das änderte sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts im Zuge größerer weiblicher Mobilität.

DER STANDARD: Wie sahen die ersten Frauen-Models aus?

Evans: Es gibt keine Illustrationen, wir wissen allerdings, dass weibliche Models um die Jahrhundertwende wesentlich fülliger waren. Es gab allerdings nationale Unterschiede, die französischen Models etwa waren zarter als die amerikanischen. Um 1910 änderte sich das Körperideal dramatisch und näherte sich den heutigen Idealen an. Durch das Aufkommen des Massensports und von Gesellschaftstänzen - erst des Foxtrott und dann des Charleston - änderte sich die Einstellung zum Körper. Models waren Pioniere dieser Veränderung.

DER STANDARD: Die Modelmaße blieben in den vergangenen 100 Jahren unverändert?

Evans: Im Prinzip ja, Models sind heute allerdings nochmals dünner als vor 100 Jahren.

DER STANDARD: Galten Models immer als glamourös?

Evans: Nur teilweise. Die Londoner Designerin Lucile gab ihren Mannequins zum Beispiel exotische Namen. Sie waren kleine Stars. Gleichzeitig galt der Beruf der Models aber als moralisch verwerflich, ihr Status ähnelte jenem von Prostituierten oder Schauspielerinnen.

DER STANDARD: Chanel verpflichtete allerdings Mädchen aus sehr guten Häusern als Mannequins.

Evans: Das war eine Innovation. Mitglieder der russischen Aristokratie modelten für sie. Im Grunde stammten Mannequins aber immer aus der Arbeiterklasse. Die Ironie besteht darin, dass diese sich zwar wie Ladys geben konnten, aber nie als solche angesehen wurden. Auch der Duke of Westminster, mit dem Coco Chanel eine Affäre hatte, weigerte sich die Modeschöpferin zu heiraten.

DER STANDARD: In den Neunzigern stiegen manche Models zu Superstars auf. Wie war das möglich?

Evans: Dass Models sozial stärker respektiert wurden, war eine langsame Entwicklung. Es gab zwar auch in den 60ern Models, die Popstars waren, aber erst in den 80ern konnten sie plötzlich viel Geld verdienen. Das war in den konsumverliebten 80ern der Eintritt in die Oberschicht.

DER STANDARD: Männliche Models verdienten nie so gut.

Evans: Bis heute ist Modeling der einzige Bereich, in dem Frauen durchwegs mehr Geld verdienen als Männer. In der Wissenschaft gibt es kaum Untersuchungen über männliche Models. Ihre Geschichte ist noch nicht geschrieben. (Stephan Hilpold/Der Standard/rondo/26/11/2010)