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Mit seiner Frau Monica Bellucci.

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Mit Natalie Portman in "Black Swan".

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Yves-Saint-Laurent- Parfum "La Nuit de l'Homme.

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DER STANDARD: Black Swan läuft ab heute im Kino. Ihre Filmpartnerin Natalie Portman hat soeben den Golden Globe dafür bekommen. Sie spielen die männliche Hauptrolle, einen sadistischen Choreografen und eleganten Bad Guy. Schon wieder Bad Guy?

Vincent Cassel: In meinem ersten Film La Haine (der Hass) spiele ich einen jungen Typen, der eine Pistole braucht, um einen Polizisten zu erschießen. Da hat es angefangen, so will man mich sehen. Was sollte ich machen?

DER STANDARD: Sie haben den Bad Guy stark mitgestaltet. In "La Haine" zitieren Sie eine Szene aus "Taxi Driver", in der Robert de Niro vor dem Spiegel steht und eine Choreografie der Aggression einstudiert und gerade damit Unsicherheit zeigt.

Cassel: Körperliche Gewalt ist ein Eingeständnis der Ohnmacht, ist ein Zugeben, dass man verletzt worden ist, sich an den Rand gedrängt fühlt. Die Typen, die ich spiele, sind nicht tough, weil sie stark sind, sondern weil sie schwach sind. Und das interessiert mich.

DER STANDARD: Nun sind Sie in Black Swan ein außerordentlich eleganter Fiesling.

Cassel: Mit seinen eleganten Bewegungen war mir mein Vater Jean-Pierre Cassel Vorbild. Er war Tänzer. Sie nannten ihn den französischen Fred Astaire. Er nahm das Tanzen sehr ernst. Bis er Ende 60 war, übte er täglich an der Ballettstange, bevor er auf die Bühne ging. Damit bin ich aufgewachsen. 1977 spielte er Zach im Musical A Chorus Line. Der Regisseur war Michael Bennett, der der Zach im echten Leben war. Er quälte die Tänzer bis aufs Blut, um sie am Ende dafür zu casten, was sie von Anfang an waren.

Ich kannte Michael Bennett sehr gut. Er war ein großer Verehrer meiner Mutter. Ich habe also alles mitbekommen, die Proben, die Energie, den Schweiß, die Qual, alles. Als Darren Aronofsky mich fragte, ob ich die Rolle in Black Swan übernehmen wolle, lag alles klar vor mir. Ich kannte die Rolle schon. Es war Zach. Mein Vater hatte ihn gespielt. Und mit Michael Bennett kannte ich den echten. Mehr Information über die Rolle kann man nicht haben.Das Bild von meinem Vater, wie er seine Dehnungsübungen machte, wie er auf der Bühne steppte. Ich habe ihn nicht überhöht, sondern gesehen, wie er sich quälte, und es nicht verstehen können.

DER STANDARD: Aronofsky zeigt uns Bilder körperlicher Selbstzerstörung. Das war mit Mickey Rourke im "Wrestler" so, und das ist mit Natalie Portman in "Black Swan" so. Sie hingegen bleiben in Ihrer Rolle unversehrt und gewaltfrei.

Cassel: Die zwei Filme sollten ursprünglich einer sein. Eine Geschichte von einem Wrestler und einer Ballerina. Die zwei Filme sind aus einem Guss. Zach, der Choreograf ist nicht gewaltfrei. Er ist ein Zyniker. Das ist eine andere Art von Gewalt. Er ist fies; weil es nichts anderes in seinem Leben gibt, stellt er seine Kunstform über alles andere und rechtfertig so seine Form von Gewalt.

DER STANDARD: Wie sehen Sie Natalie Portmans Rolle? Sie haben ja selbst getanzt. Wie hat Sie es in Ihren Augen hingekriegt?

Cassel: Ich habe jahrelang getanzt und weiß, wie viel Anstrengung und Schmerz es bedeutet. Natalie hatte wohl mal in ihrer Kindheit Ballettunterricht, aber für diesen Film musste sie ganz von vorn anfangen. Als wir dann in New York zu drehen begannen, war ich überrascht, wie weit sie schon war. Die Arbeit am Set war kein Vergnügen. Also für mich schon, für sie nicht. Es war hart für sie, zwei Stunden Dehnen jeden Tag, zwischen den Takes hatte sie Training, Physiotherapie, kaum was zu essen. Sie war ungeheuer konzentriert und sehr mutig.

DER STANDARD: Kommen die Bösen bei Frauen besser an als die Guten?

Cassel: Auf jeden Fall jene, die ein paar Schwächen oder Macken haben - zumindest bei den paar Frauen, die ich getroffen habe. Ich bin jedenfalls kein gewalttätiger Mensch. Die Gelegenheiten, bei denen ich jemanden hätte verletzen können, habe ich nicht genutzt. Ich bin auch gar nicht tough. Wenn mir etwas körperlich zu schwer ist, lass ich es liegen und nehme etwas Leichteres. Da habe ich keinen Ehrgeiz.

DER STANDARD: Dürfen Ihre Töchter Schauspielerinnen werden?

Cassel: Nein. Ich würde Ihnen dasselbe sagen, was mein Vater zu mir gesagt hat: Nein. Weil man durch so viel Mist durchmuss, weil man abgelehnt wird wegen seines Aussehens, wegen Mimik, Gestik, Aussprache, wegen allem, was man ist - sogar wenn man zu schön ist. Und bis jemand in dem Business der Ansicht ist, dass man reinpasst, kassiert man viele Prügel. Abgelehnt zu werden, weil man zu schön ist, ist etwa meiner Frau, Monica Bellucci, oft passiert. Ich selbst war nicht begeistert, als ich hörte, dass ich mit ihr arbeiten müsste. Das war, bevor wir uns kannten. Ich fragte den Regisseur, warum er für die Rolle ein Model nimmt und keine echte Schauspielerin. Sie fragte den Regisseur übrigens auch, warum er diesen Cassel nimmt und nicht jemand Besseren. Der Regisseur hat nicht auf uns gehört.

DER STANDARD: Sie haben Darren Aronofsky auch als Regisseur für den Minifilm zur Bewerbung des Männerdufts von Yves Saint Laurent "La Nuit de l'Homme" vorgeschlagen.

Cassel: Ja, Saint Laurent möchte nicht einfach irgendeine Werbung machen, sondern einen Kurzfilm, der auch für die Kinos gedacht ist. Ich spiele darin einen Mann, der schönen Frauen gefährlich wird - und zwar mehreren gleichzeitig. Es ist alles sehr dunkel und mysteriös. Aronofsky ist nach Gaspar Noé der zweite Regisseur, den ich zu Saint Laurent brachte. Sie wollen Film machen und nicht so sehr Werbung.

DER STANDARD: Außerdem will Saint Laurent durch Sie ein Konzept der "contemporary masculinity", ein Bild des modernen Mannes verkörpert sehen. Sind Sie das?

Cassel: Ich habe keine Ahnung. Das müssen Sie die fragen. Ich kann nicht anders, als ich zu sein. Früher hab ich immer die zwielichtigen Gestalten gespielt. Gefährlich, irgendwie bedrohlich. So ist es auch im Drehbuch für dieses Parfum vorgesehen.

DER STANDARD: Sind Sie die notwendige Gegenreaktion auf all die hübschen Jungs im Film und in der Werbung.?

Cassel: Das weiß ich nicht. Männer können hübsch sein, eine kleine Nase haben und dennoch gut schauspielen. Und darauf kommt es schließlich an.

DER STANDARD: Interessieren Sie sich für Mode und Luxus?

Cassel: Ehrlich?

DER STANDARD: Ja bitte.

Cassel: Nein. Ich trage keine Uhren, keinen Schmuck, ich trage Sneakers. Nicht irgendwelche, zugegeben.

DER STANDARD: Verwenden Sie das Parfum, für das Sie werben?

Cassel: Das verwende ich wie Schmuck. Zu besonderen Gelegenheiten, zu denen man auch etwas Besonderes anzieht.

DER STANDARD: Was riechen Sie am liebsten?

Cassel: Den Regenwald, einen Ort in Brasilien. Schon wenn man dort landet und die Flugzeugtüre aufgeht, brechen tausend Düfte auf einmal über einen herein.

DER STANDARD: Sie kommen vom europäischen Kino. Jetzt machen Sie Hollywood. Passt das?

Cassel: Ich arbeite mit Steven Soderbergh. Der ist nicht Hollywood. Hollywood würde keinen Film wie Solaris machen. Soderbergh schon. Und David Cronenberg ist schon gar nicht Hollywood. Mit Jerry Bruckheimer habe ich nicht gearbeitet. Noch nicht. Nein im Ernst. Ich suche mir meine Arbeit nicht nach solchen Kriterien aus. Ich habe mich noch nie wegen Geld für oder gegen eine Rolle entschieden.

DER STANDARD: Was ist mit Werbung?

Cassel: Das gibt mir die Freiheit, mir die Filme auszusuchen, die ich wirklich machen will.

DER STANDARD: Am Anfang Ihrer Karriere haben Sie sehr viel Werbung gemacht. À la "Ich war jung und brauchte das Geld"?

Cassel: Ja, aber ich geniere mich dafür überhaupt nicht. Einmal habe ich einen Samurai für eine japanische Autowerbung gespielt. Wenn man das heute sieht, muss man schon lachen, aber es ist mir nicht peinlich. Und das gab mir die Möglichkeit, La Haine zu machen und nicht noch eine dumme französische Komödie, die heute keiner mehr kennt. Als Schauspieler gehöre ich mir und keinem anderen.

DER STANDARD: Sie sind also aus eigenem Antrieb der ewige Bad Guy?

Cassel: Ich glaube, es liegt an der Nase. Alle französischen Schauspieler haben eine komische Nase. Jean Reno, Gerard Depardieu und ich halt auch. Depardieu hat eigentlich zwei. Eine zum Einatmen eine zum Ausatmen. Meine ist wirklich "bad", sie ist viermal gebrochen. Das erste Mal bei einem Motorradunfall, nach dem ich zwei Tage im Koma lag. Das zweite Mal bei einer Schlägerei. Ich war übrigens nicht schuld. Das dritte Mal bin ich ohnmächtig geworden, nachdem ich eine verdorbene Auster gegessen hatte, und in der Ohnmacht gegen die Badewanne geknallt. Das vierte Mal war ein Stuntman in einer Filmszene nicht präzise genug und haute daneben. Ich glaube, es liegt wirklich an der Nase. (Bettina Stimeder/Der Standard/rondo/21/01/2011)