Designer Gareth Pugh

Foto: Hersteller

Zwei Outfits aus seiner aktuellen Kollektion.

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DER STANDARD: Sie haben bereits in sehr jungen Jahren am Theater gearbeitet und Kostüme designt. Kommt das Kostümhafte Ihrer Mode aus dieser Zeit?

Gareth Pugh: Ich habe im Alter von 14 bis 16 Jahren am National Youth Theater in London gearbeitet. Zuerst als Kostümdesigner und später als Tänzer. Dabei hab ich viel gelernt. Heute gehe ich meine Kollektionen genauso an wie damals. Ich zeichne nicht, sondern arbeite sofort mit Stoff. Dadurch entsteht eine Art Prototyp eines Kleidungsstücks.

DER STANDARD: Warum haben Sie sich für Mode und gegen Tanz entschieden?

Pugh: Ich kann besser mit Kleidern umgehen als tanzen! Für unsere Videos arbeiten wir viel mit Tänzern - was die können, das konnte ich nie.

DER STANDARD: In der Modebranche wird viel über Ihre Video-Installationen gesprochen. Manche sagen, Sie hätten den Anfang vom Ende der traditionellen Shows mit Laufsteg und Models eingeleitet.

Pugh: So weit sind wir noch nicht. Die klassischen Shows gibt es schon sehr lange - und es wird sie auch noch länger geben. Aber es verändert sich gerade sehr viel, das Modebusiness muss sich anpassen; und die Industrie und die Medien mit ihm.

DER STANDARD: Was sind die Vorteile von Video-Shows?

Pugh: Zuerst einmal erspart man sich sehr viel Stress. Bei Laufstegschauen gibt man viel Kontrolle ab: Ein Modell kann stürzen, Fotografen machen schlechte Fotos von den Kleidern; das kann dir dein Image und die Arbeit von sechs Monaten zerstören. Durch das Video sehen die Leute das, was ich will, das sie sehen.

DER STANDARD: Wie wird die Exklusivität gewahrt?

Pugh: Jene Leute, die zu den Shows kommen, wollen das Gefühl haben, an etwas Besonderem teilzunehmen, das exklusiv für sie gestaltet wurde. Ich sehe die Show als eine Art Premiere, danach kann man dann alles im Internet und auf Youtube sehen.

DER STANDARD: Werden Sie damit aufhören, traditionelle Shows zu machen?

Pugh: Nein. Im März mache ich dann wieder eine mit Laufsteg und Models und allem Drum und Dran. In Paris.

DER STANDARD: In Videos auf Youtube inszenieren Sie sich selbst. In einem davon bauen Sie ein Kartenhaus und tragen verschiedene Make-up-Schichten auf. Eine Art der Selbstvermarktung?

Pugh: Heute muss jeder Designer eine Art Performer sein. Es funktioniert nicht, wenn man sich zurückzieht und im Hintergrund bleibt. Die Leute sind besessen von Information, von Modemagazinen und -blogs. Daher muss man heute auch sein eigener Sprecher sein. Sehen Sie sich nur Karl Lagerfeld an: Der hat es in den letzten Jahren geschafft, sein Image total zu verändern, indem er zu einer Art Halbgott als Rockstar wurde.

DER STANDARD: Mir gefiel sein altes Image besser.

Pugh: Stimmt. Ich liebte seinen Fächer!

DER STANDARD: Am Anfang Ihrer Karriere haben Sie mit Rick Owens gearbeitet, und noch heute gelten Sie als sein Protegé. Ein Seelenverwandter?

Pugh: Damals wusste ich noch gar nicht so viel über Ricks Design. Er hatte gerade einen Vertrag mit einem der ältesten Couture-Häuser in Paris unterschrieben: Revillon. Ich machte dort alles Mögliche. Eines Tages kam ein sehr wichtiger chinesischer Kunde, und es waren keine Models mehr da. Also ließ mich Ricks Frau, Michèle Lamy, all diese Frauenkleider vorführen. Und zwar in voller Montur mit Stöckelschuhen und so.

DER STANDARD: Mit hohen Absätzen zu gehen scheint für Sie kein Problem zu sein.

Pugh: Im Gegenteil! Von Rick und seiner Frau habe ich gelernt, wie man es schafft, dass etwas, das am Laufsteg gut aussieht, sich auch im Geschäft gut verkauft. Sie halfen mir, einen Produzenten in Italien zu finden.

DER STANDARD: Und Ihre Eltern? Unterstützen sie Sie?

Pugh: Heute ja. Sie kommen zu all meinen Shows. Zu Beginn war es aber schwierig für sie. Mein Vater ist Polizist, und meine Mutter arbeitet in einem Callcenter. Anfangs verstanden sie nicht, dass ich nicht sofort Geld verdient habe und so vieles ohne Bezahlung machte. Aber so ist das nun einmal in diesem Job: Man muss sehr lange und sehr hart arbeiten.

DER STANDARD: Wie kommt man vom Arbeitermilieu in Sunderland zum Londoner Central Saint Martins College of Art & Design?

Pugh: Ich schäme mich nicht dafür, aus der Arbeiterklasse zu kommen. Aber Sunderland ist schon ein ziemlich deprimierendes Pflaster. Früher einmal waren dort große Schiffswerften - heute gibt's nur mehr Callcenter. Und Kultur gibt's so gut wie keine. Als mich meine Mutter als Kind nach London mitnahm, war ich von allem wahnsinnig begeistert. Ich arbeitete in allen denkbaren kreativen Bereichen: Bildhauerei, Theater, Mode, Fotografie. Mein Portfolio wuchs, und schließlich nahm man mich in Saint Martins auf.

DER STANDARD: Wie haben Sie die Zeit in Erinnerung?

Pugh: Es war eine tolle Zeit. Man sah die Shows von Alexander McQueen, von John Galliano, von Philip Treacy. Als die alle weggingen, wurde es ziemlich langweilig. Ich wollte wieder zeigen, wie aufregend und interessant Mode sein kann.

DER STANDARD: Ist sie denn wirklich so langweilig geworden?

Pugh: Vielleicht ein wenig eingeschlafen. Ohne Herausforderungen besteht die Mode nur mehr aus Trends. Das geht dann ungefähr so: Was ist in dieser Saison gerade in? Oh, Streifen sind angesagt; Oh, Blau ist die Farbe. Dafür bin ich nicht Modedesigner geworden. (Cordula Reyer/Der Standard/rondo/28/01/2011)

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