Warum heißt Facebook wohl Facebook? Richtig. Weil sich die Nutzer der Freundesplattform von Angesicht zu Angesicht dort treffen wollen.

Foto: Screenshot

+++Pro
Von András Szigetvari

Der früheste Beleg für den ungeheuren Erfolg, den Menschen erzielen können, wenn sie anonym bleiben, findet sich im ungarischen Mittelalter. Im 13. Jahrhundert werkte am Hof König Bélas ein Chronist namens "Anonymus". Er hat die gesamte Siedlungsgeschichte der Magyaren niederschrieben. Bis heute ist der Name des (?) Mannes unbekannt.

Also ranken sich die wildesten Gerüchte um die Gestalt. Eine gesichtslose Statue des Dichters ziert das Zentrum von Budapest. Der springende Punkt: Wüssten wir, wer Anonymus war, irgendein Gábor oder Ernö, kein Schwein würde sich für ihn heute interessieren. Magyaren-Chronisten gibt es wie Sand am Meer.

Die Lektion von der Geschichte gilt noch 700 Jahre später im digitalen Zeitalter. Gerade wenn alle ihr Gesicht auf Facebook zeigen, macht sich der Unbekannte interessant. Schließlich hat der verdeckte Facebook-User noch etwas Revolutionäres an sich: Ist es nicht schön, an einem von Millionen Menschen genutzten Forum teilzunehmen und doch ein bisschen gegen den Strich zu bürsten?

Kontra---
Von Karin Tzschentke

Warum heißt Facebook wohl Facebook? Richtig. Weil sich die Nutzer der Freundesplattform von Angesicht zu Angesicht dort treffen wollen – zumindest virtuell, wie das so schön heißt. Okay, es mag Leute geben, die noch nicht gelernt haben, ein digitales Foto ins Internet hochzuladen. Aber das ist ein Kinderspiel, das auch meine geschätzte fast 90-jährige Nachbarin beherrscht. Echte Freunde bringen das einem im Nu bei.

Gibt es sonst noch Gründe, sich weiß "verschemt" zu zeigen? Nicht fotogen? Wer lange genug sucht, findet sicher (so wie ich) ein Foto mit leichtem Gegenlicht, Madonnen(an)schein inkludiert.

Da ist schon mehr im Spiel, wenn im "Buch der Gesichter" jemand sein/ihr Konterfei nicht preisgeben will. Weil man/frau etwas zu verbergen hat – und zwar nicht nur die Warze am Kinn. "Freunde" suchen die Weißgesichter auf Facebook wohl kaum.

So gesehen kann man ihnen sogar dankbar sein, dass sie sich deutlich sichtbar für ihre wie auch immer gearteten Bedürfnisse verschleiern. (Der Standard/rondo/11/02/2011)