Bei Montblanc wird jede Feder mit der Hand eingeschrieben.

Foto: Hersteller

Ob's passt, ist eine Gefühlssache, sagt eine der beiden Damen, die im Unternehmen für diesen Job zuständig sind.

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Lutz Bethge wurde 1955 in Hannover geboren. Er arbeitete für Beiersdorf und in der Tierfutter- und Süßwarenbranche. Seit 1990 ist er für Montblanc tätig, wo er seit 2007 die Funktion des Geschäftsführers innehat. Das Unternehmen mit Stammsitz in Hamburg engagiert sich stark im Kunst- und Kulturbereich und gehört zur Richemont-Gruppe. Weltweit unterhält Montblanc 360 Boutiquen.

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DER STANDARD: Wie heißt der höchste Berg Europas?

Lutz Bethge: Jetzt kommen Sie sicher mit der Geschichte, dass auf unseren Federn 4810 steht, der Montblanc aber nur 4807 Meter misst. Das stimmt aber nicht. Bei der letzten Vermessung vor eineinhalb Jahren war er wieder 4810 Meter hoch.

DER STANDARD: Haben Sie nachgeholfen?

Bethge: Klar, wir haben ein paar Leute mit der Schippe hingeschickt. (lacht)

DER STANDARD: Nein, das war nicht gemeint. Es gibt unter Bergfexen die Diskussion, ob nicht ein anderer Berg der höchste Berg Europas wäre. Wissen Sie welcher?

Bethge: Oh, jetzt erwischen Sie mich.

DER STANDARD: Manche sagen, es sei der Elbrus im Kaukasus mit 5642 Metern.

Bethge: Okay, das werde ich mir auf jeden Fall notieren.

DER STANDARD: Schreiben Sie Briefe auch per Hand?

Bethge: Klar, ich bin der Chef von Montblanc.

DER STANDARD: Wie oft?

Bethge: Ich schätze fünf- bis sechsmal pro Woche. Wenn mir ein Mensch wichtig ist, schreibe ich auf jeden Fall per Hand. Gestern hat mich Christopher Lee angerufen und sich für den Brief bedankt, den ich ihm und seiner Gattin zur goldenen Hochzeit geschrieben habe.

DER STANDARD: Erhalten Sie handgeschriebene Briefe?

Bethge: Ja, und wissen Sie was? Während der Wirtschaftskrise habe ich die Erfahrung gemacht, dass mir mehr Menschen mit der Hand geschrieben haben.

DER STANDARD: Warum?

Bethge: Die Wirtschaftskrise war im Prinzip eine Vertrauenskrise. Ich denke, dass man dadurch unterbewusst dieses Vertrauen wieder stärken wollte. Das ist nur meine persönliche Vermutung.

DER STANDARD: Füllfeder, Kugelschreiber oder Tintenroller?

Bethge: Immer Füllfeder und immer das 149er-Meisterstück.

DER STANDARD: Blaue oder schwarze Tinte?

Bethge: Blau. Immer Blau.

DER STANDARD: Warum?

Bethge: Blau strahlt eine klassische Eleganz aus. Und es setzt sich von der Schrift des Computers ab, die in aller Regel schwarz ist.

DER STANDARD: Für den Preis Ihrer Füllfeder bekommt man heute auch ein iPad. Beides sind in gewisser Weise Lifestyle-Produkte. Gibt es eine Verwandtschaft zwischen diesen Objekten?

Bethge: Ein iPad ist ein Objekt, das den Spieltrieb und das Informationsbedürfnis anregt. Ein Bezug zur Füllfeder herzustellen fällt mir schwer. Mit dem iPad kommuniziere ich. Wenn ich mit der Hand eine Botschaft schreibe, sage ich dem Adressaten, 'Du bist mir persönlich wichtig'.

DER STANDARD: Dennoch könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Menschen mit ihren Handys usw. sehr wohl eine sehr persönliche Beziehung eingehen.

Bethge: Ja, aber wie gesagt, das hat viel mit Spieltrieb zu tun. Ich saß vor Jahren mit dem Pianisten Lang Lang und seinem Manager in München zusammen. Lang Lang packte damals ein iPhone aus, das gerade einen Tag auf dem Markt war. Da konnte man dann drei erwachsene Männer sehen, die sich die nächsten zwei Stunden nur mit diesem Ding beschäftigten. Ich finde das auch nicht schlimm. Aber das ist eine andere Geschichte.

DER STANDARD: Es gibt viele Menschen, für die ist Montblanc noch immer eine reine Schreibgerätefirma. Die wissen gar nicht, dass Sie auch Uhren, Schmuck und Accessoires herstellen.

Bethge: Ich empfinde das als Kompliment für unsere Schreibgeräte. Wir schaffen es also auch in einer Zeit, in der sich die Menschen mehr ums iPad etc. kümmern, mit unseren Schreibgeräten präsent zu sein. Andererseits ist es auch eine unglaubliche Chance, im Uhrenbereich zu wachsen. In den nächsten Jahren werden die Umsätze im Uhrenbereich jene im Schreibgerätebereich überholen, obwohl auch der Absatz in diesem Bereich wächst.

DER STANDARD: Montblanc hat im Gegensatz zu vielen Mitbewerbern keine Geschichte in der Uhrenbranche.

Bethge: Das stimmt. Anfangs hab ich zu Journalisten diesbezüglich immer gesagt: "Kommen Sie doch in 100 Jahren wieder, dann haben wir auch eine hundertjährige Geschichte." Damit wollte ich nicht arrogant erscheinen. Ich wollte damit sagen, wenn wir etwas beginnen, betreiben wir das ernsthaft. Wir haben auch von Beginn an eigene Uhrwerke entwickelt. Anfangs haben wir natürlich den Montblanc-Kunden angesprochen.

DER STANDARD: Apropos Image. Ein Testimonial von Montblanc ist Nicolas Cage. Steht er für die Philosophie der Marke?

Bethge: Cage ist ein bewusster Mensch, der sich für viele Projekte einsetzt. Durch unsere erste Zusammenarbeit förderte er ein Umweltprojekt. Er bekam von uns kein Honorar. Cage ist kein oberflächlicher Typ.

DER STANDARD: Das mag sein. Aber Filme wie "Wild at Heart" oder "Nur noch 60 Sekunden" sind schwer mit Montblanc in Einklang zu bringen, oder?

Bethge: Okay, aber es gibt auch andere Filme. Und er ist kein austauschbarer Charakter. Der beschäftigt sich intensiv mit der Welt. Das passt zu uns. Das gilt übrigens auch für Johnny Depp.

DER STANDARD: Man sagt, dass Sie jedes Jahr eine Füllfeder selbst fertigen.

Bethge: Das stimmt nicht. Ich schleife alle ein, zwei Jahre eine Feder.

DER STANDARD: Sind Ihre Mitarbeiter zufrieden mit Ihrer Schleifarbeit?

Bethge: Für diese Arbeit braucht man ein ganz bestimmtes Talent, das ich einfach nicht habe - ganz zu schweigen von der Erfahrung. Das beste Kompliment, das ich bislang bekommen habe, lautete, "Für Sie war das gar nicht so schlecht"! Schreiben konnte man mit der Feder nicht.

DER STANDARD: Gibt es Studien zum Thema Handschrift im Sinne von "Wird mehr, weniger, schlampiger, fehlerhafter etc. als früher" geschrieben'?

Bethge: Ich las kürzlich eine Studie von einer amerikanischen Universität. Ich hab ihren Namen jetzt nicht parat. Darin ging es um den Zusammenhang zwischen Handschrift und geistiger Entwicklung von Kindern. Die Studie sagt, dass die intellektuelle Entwicklung durch Schreiben mit der Hand sehr gefördert wird.

DER STANDARD: Das "Bespoke"-Geschäft wird in immer mehr Branchen zum großen Thema. Wie viel Einzelanfertigungen produziert Montblanc?

Bethge: Ich schätze, im Schreibgerätebereich sind in der Regel immer fünf bis sechs Stück in der Fertigung. So ein Stück zu produzieren dauert ja unterm Strich bis zu 24 Monate. Bei Uhren und Schmuck ist dieser Bereich noch stärker.

DER STANDARD: Und kostet?

 

Bethge: Ab 200.000 Euro sind Sie dabei.

(Michael Hausenblas/Der Standard/rondo/20/05/2011)