Chefheit braucht gute Behandlung - ob im Dienst oder im Urlaub.

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+++Pro
Von Otto Ranftl

Es wird doch einmal ein paar Tage auch ohne gehen! Okay, wenn die Katze aus dem Haus ist, haben die Mäuse Kirtag – und womöglich fehlt sie ja manchmal wirklich, die berühmte ordnende Hand, die die Dinge in die richtigen Bahnen lenkt. So stellt es sich die Chefetage jedenfalls vor. Was soll in einem gut organisierten Unternehmen aber schon groß passieren, das die Nichturlauber nicht mit ein wenig Grips und vor allem dem Willen, Eigenverantwortung zu übernehmen, bewältigen könnten? Also gut, diese Frage lässt sich auch anders als mit einem Ja beantworten. Das ist er dann, der Fall, der den Anruf im Urlaub rechtfertigt. Freude macht es keine, wenn das Handy auf einem Berggipfel am anderen Ende der Welt, auf dem Boot oder am Palmenstrand deswegen düdelt. Mit einem Telefonat ist es ja nicht getan, die Sache wirkt nach, lässt einen nicht ruhen. Und dennoch: Es ist in Ordnung – besser so, als alle schönen Stunden sind mit der Rückkehr vergessen, weil Ärger und Aufräumarbeiten nach einem nicht geführten Gespräch die Sommerkrise bringen.

Kontra---
Von Doris Priesching

Gibt's eigentlich noch Ferialpraxis? Unter diesem Label wurden einst pubertierende Land- und Stadteier zum Schnuppern in die wundersame Welt der Erwerbstätigkeit genötigt. Das sei als Vorbereitung auf den "Ernst des Lebens" zu verstehen, wie der Vater stets betonte.

Mein Ernst bestand im Wesentlichen darin, dem Herrn Direktor täglich frische Kipferln zu bringen. "Mürb!", beauftragte mich die Chefsekretärin, die den Vorgesetzten wie ihren Sohn verhätschelte, wenn er mittags hereinschneite. "Mahlzeit!", sagte der Direktor dann, schloss die Tür und ließ sich den ganzen Tag nicht blicken. Die Sekretärin strahlte, der Chef war ruhiggestellt, so konnte sie ungestört ihre Arbeit tun. Den Kipferljob erledigte ich zur Zufriedenheit. Es kam jedenfalls nie eine Klage.

Wieder was gelernt: Chefheit braucht gute Behandlung – ob im Dienst oder im Urlaub. Auch im Eigeninteresse, denn je größer die Huldigung, umso ungestörter das Dasein. Oder anders: So wichtig kann einer gar nicht sein, als dass man ihn nicht in Ruhe sein Kipferl mampfen lässt. (Der Standard/rondo/15/07/2011)