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Insekten, Raupen und Schnecken könnten sich allein in die Küche zurückbewegen

Foto: APA/Harald Tittel

+++Pro
Von Gudrun Harrer

Anders als der Junghupfer nebenan gehöre ich einer Generation an, der noch brachialpädagogische Weisheiten wie "Was auf den Tisch kommt, wird gegessen" zuhauf mitgegeben wurden. Aber im Klosterinternat der 1960/70er-Jahre war die Menüauswahl ohnehin, nun, enden wollend, und wer den Fraß verweigerte, blieb hungrig. Seit der Zeit reagiere ich auf kulinarische Demütigungsversuche jedoch äußerst sensibel.

Selbstverständlich habe ich genug soziales G'hörtsich, nicht kochen könnende - viele solcher Leute kenne ich eh nicht - Gastgeber nicht zu brüskieren. Dankbaren Blicks löffle ich auch Ungenießbares. Aber wenn ich fürs Essen zahle, neige ich zur Erbarmungslosigkeit. Blöd ist's, wenn rundherum die anderen Gäste das nämliche Gericht anstandslos verzehren - Allesfresser eben. Um das fallweise aufkommende Mitleid mit der unschuldigen Kellnerin, die mit dem Teller in die Küche zurückgeschickt wird, zu überwinden, imaginiere ich sie kurz in einem Klosterschwesternhabit. Das funktioniert zur Not auch bei Kellnern.

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Kontra---
Von Harald Fidler

Selbst die radikalsten Frischefanatiker müssen zugeben: Essen zurückgehen lassen geht gar nicht. Ausgenommen sind vielleicht die auf Eis lebend servierten Shrimps aus dem Roskilde-Fjord im Noma, aber wer würde die so einfach wieder ziehen lassen? Schon Austern, immerhin bei Tisch nach ihren Möglichkeiten noch bei Bewusstsein, fallen mangels Gehfähigkeit aus. Allenfalls Insekten, Raupen und Schnecken im Salat wären technisch in der Lage, sich in die Küche zurückzubewegen. Aber die sollten ohnehin mitsamt dem Grünzeug via Servierpersonal unfrei zurückgesandt werden.

Also ja, man kann Essen natürlich zurückschicken. Offenkundig Fehlerhaftes - da ist die Bandbreite ohnehin so weit wie subjektiv. Aber eines geht noch weniger als das Essen selbst: "Gut, aber zuviel." Das ist entweder eine Lüge, und die sind selbst aus Höflichkeit ein Nogo. Oder eine Essstörung - darunter fällt, wie ich weiß, auch übermäßige Gier bei der Bestellung. Auch Essen verlangt Konsequenz. Und zur Not gibt es Doggy Bags. (Der Standard/rondo/19/08/2011)