Von der eigenen Plantage zum Stift: die Faber-Castell- Kollektion.

Foto: Hersteller

Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell (70) leitet in achter Generation den mit einer Produktion von circa zwei Milliarden holzgefassten Stiften pro Jahr weltgrößten Hersteller von Holzstiften. Auf Schloss Stein bei Nürnberg ist derzeit eine Ausstellung zum 250-Jahr-Jubiläum des Unternehmens zu sehen.

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Seine Frau habe ihm vor Jahren dazu geraten, den "grauen Kasten" in die Luft zu jagen, erzählt Anton-Wolfgang von Faber-Castell anlässlich der Ausstellungseröffnung zum 250. Firmenjubiläum der Bleistift-Dynastie auf Schloss Stein bei Nürnberg. Entgegen dem Ratschlag seiner Gemahlin ließ er das Jugendstil-Schloss, einst Wohnsitz der Adels- und Industriellenfamilie, renovieren. Ein Ort, an dem sich schon Persönlichkeiten wie Ernest Hemingway und John Steinbeck die Klinke in die Hand gaben. Beide waren während der Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse als Reporter im Schloss untergebracht, ebenso Erich Kästner oder der spätere deutsche Kanzler Willy Brandt. Problematisch könnte es nur werden, wenn eine der Glühbirnen, die die zahlreichen holzgetäfelten Räumlichkeiten in ein warmes Licht tauchen, ausfällt. Diese werden nur noch in Belgien produziert: Was für ein Glück, dass der dortige Königspalast dieselben Leuchtmittel verwendet.

Der Graf, ein distinguierter Gentleman, Jahrgang 1941, hält nicht hinterm Berg damit, dass er lange Zeit keinerlei Bezug zum Schloss hatte. Er wuchs in der Schweiz auf. Ebenso wenig konnte er sich anfangs damit anfreunden, das Familienunternehmen als eines von zehn Geschwistern zu übernehmen. "Damals, 1978, dachte ich mir: Bleistifthersteller - erstens eine langweilige Angelegenheit und zweitens: Was haben wir denn für Chancen?" Heute, sagt er, sehe er das mit den Bleistiften viel gelassener. Es klingt fast trotzig, wenn er sagt: "Wenn ich schon in diesem verdammten Geschäft bin, dann lohnt es sich doch immer wieder, darüber nachzudenken, wie man aus einem Gebrauchsgegenstand etwas Besseres machen kann."

Gradmesser für die Bekanntheit: Passkontrolle

Mit zwei Milliarden hergestellten Exemplaren ist Faber-Castell heute globaler Marktführer für holzgefasste Stifte. Weltweit gibt es 14 Produktionsstätten, in mehr als 120 Ländern ist Faber-Castell vertreten. "Gradmesser für die Bekanntheit und den Erfolg unserer Marke ist für mich, wenn ich bei der Passkontrolle auf meinen Namen angesprochen werde", erzählt Firmenleiter Anton-Wolfgang von Faber-Castell. "Das passiert mir recht häufig in Malaysien und jetzt auch schon in Indonesien", sagt der Graf. In Malaysien hat der Konzern eine Radiergummi-Produktion, in Indonesien eine Bleistift-Fabrik.

Die Vorfahren des Grafen setzten früh auf Expansion und auf die Entwicklung einer gesetzlich geschützten Trademark, eines Verpackungsdesigns und einer weltweit erkenn- und sichtbaren Corporate Identity. Gepaart war der in der Region Mittelfranken verstärkt anzutreffende Geschäftssinn - Adidas und Playmobil sind auch aus der Gegend. Es habe ihn besonders getroffen, erzählt Faber-Castell, als ihm in den 1980ern die Assistentin des in Deutschland zu Besuch weilenden brasilianischen Präsidenten erzählte, dass die Bleistifte aus brasilianischer Fertigung oft abbrechen. In São Paulo betreibt der Konzern die größte Bleistift-Fabrik der Welt. "Also bin ich der Sache nachgegangen", erzählt der Firmenpatriarch, "es hat sich herausgestellt, dass das Holz unserer Lieferanten Qualitätsschwankungen unterlag, was sich auf das Produkt auswirkte: Wenn das Holz nicht gut ist, bricht die Mine ab."

Die passende Holzart

"In der achten Generation will man natürlich nicht das schwächste Glied in der Kette sein", sagt Faber-Castell. Um die Qualität zu sichern, suchte man nach einer passenden Holzart. Eine schnell wachsende Pinie erfüllte alle Voraussetzungen. Seither betreibt das Unternehmen eigene Plantagen und ist beinahe autark, was Holzlieferungen betrifft. Konstante Aufforstung sorgt auf den insgesamt 10.000 Hektar für einen geschlossenen Kreislauf, CO2-Neutralität inklusive. So kam die Nachhaltigkeit quasi über den ökonomischen Nutzen in den Konzern. Bis 2012 sollen 90 Prozent des verwendeten Holzes aus nachhaltigen Quellen stammen.

Ein Försterbleistift von Faber-Castell hatte es einst Vincent van Gogh angetan. So sehr, dass er ihn in einem Brief an seinen Freund und Mentor Anthon van Rappard anno 1883 lobend erwähnte. Er schätzte den weichen Abrieb des Bleistiftes, der dafür konzipiert war, im Sinne der eigentlichen Zielgruppe auch auf nassem Holz zu schreiben. Sogar einen Querschnitt des dunkelgrün lackierten Schreibwerkzeugs mit Vierkantmine skizzierte er in der Korrespondenz. Das Malergenie war, bevor das Wort seine heutige Bedeutung erlangte, ein Testimonial. Eines von vielen, wie man in der Jubiläums-Ausstellung sehen kann - man lässt sich von Vitrine zu Vitrine treiben und stößt auf zahlreiche Persönlichkeiten. Alle verwendeten oder - wie Van Gogh - zweckentfremdeten Faber-Castell'sche Produkte: Bismarck nutzte seinen Bleistift auch zum Stopfen seiner Pfeife. Dagobert-Duck-Schöpfer Carl Barks zeichnete mit Faber-Castell-Tinte, Expressionist Neo Rauch nutzte den "Polychromos"-Buntstift, ebenso Oskar Kokoschka, der seine immer individuell mit einem Messer anzuspitzen pflegte.

Marker, Lineale, Zirkel, Kugelschreiber

Manolo Blahnik stieß genauso zur illustren Runde wie Günter Grass: Der Schriftsteller bringt seine Manuskripte mit Bleistift zu Papier, bevor er sie mit der Schreibmaschine abtippt. Karl Lagerfeld wiederum skizzierte den Entwurf des Kleides, das Mary von Faber-Castell, Gattin des Grafen, bei ihrer Hochzeit getragen hatte, no na, mit Filz- und Buntstiften der Bleistift-Dynastie.

Unter der Führung von Anton-Wolfgang gab sich die Firma 1993 eine Neuausrichtung mit modernem Auftreten. Er restrukturierte das Sortiment. Längst hängt der Erfolg des Unternehmens nicht nur von der Bleistiftherstellung ab. Mit Einführung der Premiummarke "Graf von Faber-Castell" hat man sich zum Beispiel auch am Luxusmarkt mit Edelfedern und Accessoires etabliert. Es gibt Marker, Lineale, Zirkel, Kugelschreiber. "Wir haben uns fest vorgenommen, bei den Hand gehaltenen Schreiben, beim Malen und kreativen Gestalten zu bleiben" - gibt der Graf die Richtung für die nächsten Jahre vor. (Markus Böhm/Der Standard/rondo/26/08/2011)