Einst gründete der Österreicher Horst Rechelbacher die Kosmetikmarke Aveda.

Foto: Corn

Mit seiner neuen Pflegelinie Intelligent Nutrients macht er jetzt erst "richtige" Naturkosmetik.

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Horst Rechelbacher hat die Suite 485 im Hotel Bristol gemietet. Der gebürtige Kärntner lebt den amerikanischen Traum. Er hat die Kosmetikmarke Aveda aufgebaut, dann an Estée Lauder verkauft. Mit 70 Jahren promotet er seine neue Pflegelinie Intelligent Nutrients. Im Hotelzimmer riecht es stark nach Jasmin. Er will das Interview auf Englisch führen, denn Deutsch spricht er nur mehr sehr selten.

DER STANDARD: Sie haben mit Aveda kolportierte 300 Millionen Dollar verdient. Warum machen Sie weiter?

Horst Rechelbacher: Weil ich ein Aktivist bin und 40 Jahre Erfahrung in der Kosmetikindustrie habe. Intelligent Nutrients ist die erste biologisch zertifizierte Kosmetiklinie. Ich unterwerfe mich freiwillig den im Vergleich zur Kosmetik viel strengeren Vorschriften der Nahrungsmittelindustrie. Irgendwie bin ich also heute eine Art Chefkoch für Gourmetkosmetik geworden. Ich baue die Pflanzen dafür selbst an.

DER STANDARD: War nicht Aveda schon Naturkosmetik?

Rechelbacher: Nein, Aveda war so etwas wie ein Lehrstück. Wir wussten damals nichts über die toxische Wirkung vieler Inhaltsstoffe. Mit der Zeit ist das Wissen darüber gewachsen. Ich sammle aktiv Wissen bei Forschern und Wissenschaftern zu diesem Thema. Naturkosmetik ist ein Wachstumsmarkt. Als mich Leonard Lauder (bis 1999 CEO des Konzerns, Anm.) anrief, um Aveda zu kaufen, sagte er nur: "Let's have lunch." Beim Essen meinte er: "Horst, lass uns die Kosmetikindustrie verändern." Da habe ich verkauft, das wollte ich unbedingt.

DER STANDARD: Und: Hat sie sich geändert?

Rechelbacher: Nein. Eine Zeitlang habe ich noch als Konsulent gearbeitet, Lauder hat einige meiner Mitarbeiter übernommen, sie wurden intern die "Horstis" genannt. Sie verschwanden dann alle mit der Zeit. Heute habe ich nichts mehr mit alldem zu tun. Für mich sind nur mehr höchste Qualitätskriterien ausschlaggebend.

DER STANDARD: Das behaupten aber alle in der Branche ...

Rechelbacher: Die Kosmetikindustrie setzt sich die Maßstäbe selbst. Wenn dort jemand sagt, die Produkte seien "sicher", meint er nur, dass sie keine Allergien in den Augen verursachen. Es gibt aber viele Hinweise, dass die verwendeten Chemikalien langfristig auch für Krebs mitverantwortlich sein könnten, vor allem die mineralölhaltigen Stoffe. Es gibt einen einzigen Grund, warum das trotzdem weiter verwendet wird: Petrochemische Produkte sind die billigsten Rohstoffe der Welt. In der Kosmetikindustrie geht es nur um Geld, Qualität ist zweitrangig.

DER STANDARD: Das sind schwere Vorwürfe ...

Rechelbacher: Die CEOs der großen Firmen machen sich nicht einmal Gedanken über die Inhaltsstoffe. Alles, was sie interessiert, sind die Verkaufserlöse. Deshalb wird viel gelogen. Oder glauben Sie, dass es tatsächlich einen Unterschied zwischen einem Fünf-Dollar- und einem Dreißig-Dollar-Lippenstift vom selben Konzern gibt? Jeder Konzern hat seine Patente auf Silikone und Farbstoffe, die werden breit eingesetzt. Das Einzige, worin sie sich unterscheiden, ist vielleicht die Verpackung. Dass mineralölhältige Produkte im Verdacht stehen, Krebs auszulösen, wird ignoriert. Die Kosmetikindustrie fährt bisher gut mit dieser Taktik, niemand bestraft sie. Viele toxische Inhaltsstoffe sind auf den Cremen aufgelistet. Aber wer liest und versteht das schon?

DER STANDARD: Muss Naturkosmetik also wegen der Inhaltsstoffe immer teuer sein?

Rechelbacher: Wenn man Cremen und Parfum aus Pflanzeninhaltsstoffen machen will, ist das im Vergleich zu synthetischen Stoffen, die nichts kosten, extrem teuer. Ich bin heute Farmer, pflanze organisch an. Nur so kann ich garantieren, dass keine Pestizide, Fungizide oder Insektizide über die Pflanze auf die Haut des Menschen kommen. Alles Geld, das ich mit dem Verkauf von Intelligent Nutrients verdiene, geht heute in eine Stiftung zum Schutz der Umwelt.

DER STANDARD: Welche Konservierungsmittel verwenden Sie für die Haltbarkeit dieser Produkte?

Rechelbacher: An der Mischung aus Oregano, Thymian und Zitronengras als Konservierungsmittel habe ich lange gearbeitet. Sie ist patentiert. Auch die Herstellung der Duftstoffe aus Pflanzen ist aufwändig und kostet zehnmal mehr als synthetische Duftstoffe, die auch toxisch sind. Ich baue sie selbst an und schwöre: Echter Jasmin riecht 1000-mal besser. Vor allem im Duft unterscheiden sich Intelligent Nutrients von anderer Naturkosmetik, die meist nach Zitrus riecht.

DER STANDARD: Naturkosmetik gilt als Wachstumsmarkt in der Branche. Wie positionieren Sie sich?

Rechelbacher: Worte wie "natürlich" oder "organisch" werden sehr oft missbraucht. Es gibt das Fach Organische Chemie und das hat wirklich gar nichts mit Natur zu tun. Marketingleute lügen aber ganz einfach. Meine Lippenstifte haben ihre Farben aus Beeren, das schmeckt man. Sie enthalten keine bleihältigen Stoffe wie die meisten anderen sind aber deshalb auch weniger intensiv, das ist der Preis.

DER STANDARD: Worin sehen Sie die Zukunft?

Rechelbacher: In Pflanzenstammzellen, auf ihre antioxidative Wirkung setze ich. Ich habe nicht nur einen guten Riecher, was Düfte betrifft, sondern auch was Investments anbelangt. Da folge ich meinem Bauchgefühl. Vor allem will ich all jenen, die mir immer wieder gesagt habe, dass organische Naturkosmetik nicht machbar ist, beweisen, dass es doch geht. (Karin Pollack/Der Standard/rondo/07/10/2011)